Ich greife an
Die Jungen hörten mir aufmerksam zu und waren bestrebt, meinen Anweisungen sorgfältig nachzukommen.
Man hatte mir Menschen anvertraut, die ich mit der komplizierten Meisterschaft der Steuerung eines Jagdflugzeuges vertraut machen sollte. Ich mußte die Fähigkeiten jedes Flugschülers richtig einschätzen und seine Stimmungen, Neigungen und Bedürfnisse studieren. All das kam mir sehr schwierig vor. War ich wirklich in der Lage, in den Flugschülern die Liebe zum Flugzeug zu wecken?
Je länger ich meine Arbeit ausführte, desto klarer erkannte ich die gewaltige Bedeutung des Fluglehrers für die Entwicklung des künftigen Fliegers, seiner fliegerischen und moralischen Eigenschaften und für seine kämpferische und politische Erziehung.
Ich lehrte und lernte selbst. Wenn ich die Flugschüler unterrichtete, feilte und schliff ich auch an meiner eigenen Flugtechnik.
Auf den methodischen Unterricht bereitete ich mich gut vor, führte ein Gruppentagebuch und half den Flugschülern, sich in den Fragen der Theorie zurechtzufinden. Zurückbleibende Schüler unterrichtete ich individuell. Ich freundete mich mit den Flugschülern an und war mit ihren Interessen vertraut, denn jeder Erfolg und jeder Mißerfolg der Schüler ist auch die ureigenste Angelegenheit des Fluglehrers.
Ich war so von der pädagogischen Arbeit begeistert, daß ich gar nicht merkte, wie die Zeit verflog. Meine Gruppe arbeitete gut und gewissenhaft. Im Frühjahr 1941 begannen wir die praktische Flugausbildung.
Bei den Flügen mit der „UT-2" lernte ich meine Schüler erst richtig kennen. Aus der Gruppe stach Baschkirow hervor. Er war fünf Jahre älter als ich und hatte eine gute politische und Allgemeinbildung. Baschkirow war ein Musterbeispiel an Beharrlichkeit, Disziplin und Fleiß. Er befaßte sich häufig mit den schwächeren Flugschülern und führte politische Diskussionen durch. Er startete auch als erster zum Alleinflug.
Meine Gruppe war allen anderen voraus und hatte schon die Alleinflüge mit der „UT-2" begonnen. Ich befand mich in gehobener Stimmung. Die Erfolge meiner Schüler bereiteten mir Freude. Ich freute mich auch darüber, daß ich jetzt viel und systematisch mit der „J-16" trainieren konnte. Aber der Geschwaderkommodore betraute mich mit einer neuen Aufgabe. Ich mußte zusätzlich mit den Schülern einer anderen Gruppe Rollübungen durchführen. Morgens fanden die Flüge statt. Mittags und abends führte ich mit den Flugschülern Rollübungen durch, und zwar mit einem Flugzeug mit unbespannten Tragflügeln. Wie ein Vogel mit ausgerupften Federn lief es über die Erde. Mit Hilfe dieses Flugzeuges lernte der Schüler, die Richtung zu halten. Ich gewöhnte mich an die doppelte Belastung. Von früh bis spät war ich auf den Beinen.
DER 22. JUNI 1941
Am Morgen des 22. Juni 1941 saßen wir wie immer beim Frühstück im Kantinenzelt. Wir hatten gerade angefangen, Kaffee zu trinken, als der Stabschef ins Zelt gelaufen kam. „Kampfalarm! Kampfalarm! An die Maschinen! Kampfalarm!" schrie er aufgeregt.
Etwas Ungewohntes, Ernstes und Gespanntes sprach aus seinem Gesicht.
Wir krochen gleich unter dem Zelt hindurch und rannten zu unseren Maschinen.
Die Warte hatten schon die Motoren angelassen.
„Die Maschinen an die Ränder des Flugplatzes rollen!" befahl der Staffelkommandeur.
Es war ein scheußliches Wetter, es nieselte. Ich saß mit meinem Bordwart unter der Tragfläche und wartete auf die Entwarnung.
„Seltsam", sagte der Bordwart. „So lange hat der Alarm noch nie gedauert. Sieh mal, was ist denn dort los?"
Ich schaute mich um. Auf der Wiese hinter dem Flugplatz, wo sich ein Militärlager befand, hatte man alle Zelte abgebrochen. Dort waren die Rotarmisten angetreten, und wir vernahmen ab und zu ihr lautes „Hurra!"
„Da ist eine Kundgebung", antwortete ich.
Im gleichen Augenblick erging auch an uns der Befehl, in der Mitte des Flugplatzes anzutreten.
Unser Geschwaderkommodore trat vor die Front, „Genossen", sprach er, „es gibt keine Entwarnung mehr. Der Kampfalarm hält an. Heute morgen um vier Uhr haben die Truppen des faschistischen Deutschland wortbrüchig die Grenze unserer Heimat überschritten. Faschistische Flugzeuge haben Kiew, Charkow, Sewastopol, Shitomir und andere sowjetische Städte mit Bomben belegt. - Die Flugzeuge werden in Ketten aufgestellt! Wir befinden uns im Kriegszustand. Die Tagesordnung wird nicht verändert, aber es muß jetzt noch mehr geschafft werden. Gehen Sie an Ihre täglichen
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