Ich greife an
nach Westen ab. Nein, so haben wir nicht gewettet, ihr Halunken, dachte ich und gab an meinen Rottenhund durch: „Wassja, wir nehmen den äußersten in die Zange!"
Wir flogen den Bomber von zwei Seiten an, kamen immer näher, bis wir auf die richtige Entfernung heran waren. Dann kommandierte ich: „Feuer!" Die Bordwaffen begannen zu arbeiten. Das feindliche Flugzeug verschwand, in Flammen und Rauch gehüllt, in der Tiefe. Plötzlich griffen uns etwa zwanzig Jagdflugzeuge des Gegners an. Oben, unten, rechts und links flirrten die Leuchtspurgarben um unsere Maschinen. Ich gab an Muchin durch: „Wassja, paß auf!"
Wir jagten, uns der wütenden Angriffe erwehrend, mit Vollgas davon, um hinter unsere Linien zu gelangen. Die Faschisten jagten hinter uns drein. Wir vollführten mit unseren „Lawotschkins" eine tolle Kurbelei, schossen uns freie Bahn und halfen einander, von den feindlichen Jägern loszukommen. Jetzt hatte ich bereits gelernt, in der Luft jede Bewegung überlegt auszuführen und Sekunden zu sparen. In diesem Kampf überzeugte ich mich wieder einmal davon, welch große Bedeutung die Verbundenheit der Flugrotte hat, denn gerade das half uns, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen.
Als ich aus der Maschine geklettert war, sah ich mich nach Muchin um. Er war naß, als hätte er gebadet. Aber auch meine Feldbluse war zum Auswringen.
GEDANKEN ÜBER DEN LUFTKAMPF
Nach dem Kampf kann man im Gesicht des Fliegers lesen, was er in jenen dreißig Minuten, die er in der Luft verbrachte, durchlebt hat. Aus seinen Augen spricht Härte, seine Lippen sind verbissen und mit geronnenem Blut bedeckt.
Im heißen Kampf fühlt der Flieger weder Schmerz noch Müdigkeit - diese Empfindungen sind gleichsam aus seinem Bewußtsein ausgeschaltet. In dieser halben Stunde, die der Luftkampf dauert, verbraucht er mehr Energie als in einem halben Monat auf der Erde. Nach der Landung ist er natürlich müde und abgespannt. Doch wenn er im nächsten Augenblick den Startbefehl zu einem neuen Feindflug erhält, so ist die ganze Müdigkeit mit einem Schlage verschwunden. Er steigt munter und ruhig in seine Maschine und startet zum Kampf.
Er denkt völlig klar und ist voll und ganz auf die bevorstehende Auseinandersetzung konzentriert.
Erst in den Tagen der Kämpfe nördlich von Belgorod, im Frontbogen von Kursk, begriff ich, daß ein richtiger Luftkampf eine außerordentlich hohe Nervenanspannung und eine Prüfung der physischen und psychischen Eigenschaften des Kämpfers ist.
Die Nervenanspannung kommt bei jedem Flieger auf eine ganz bestimmte Art und Weise zum Ausdruck. Ich zum Beispiel, und das war bei den meisten Fliegern der Fall, verlor stets den Appetit. Mich verlangte es, dauernd zu trinken, die Zunge schien mir am Gaumen zu kleben, und mein Gesicht brannte wie Feuer. Aber das war nur anfangs so. Schon nach wenigen Tagen war dieser Zustand überwunden. Höchstens unmittelbar nach überaus schweren Kämpfen kehrte er wieder.
Wenn ich in meiner Maschine im Zickzackflug dahinjagte, wenn ich das Flugzeug steil hochzog und mich so auf den Feind stürzte oder wenn ich ihn im Tiefflug angriff und dabei mit den Tragflächen fast die Baumwipfel streifte, dachte ich häufig daran, wie mich bisher physische Kraft und Zähigkeit aus schwierigen Lagen retteten. Die großen Überlastungen und die ständige Anspannung des gesamten Organismus im Luftkampf ertrug ich verhältnismäßig leicht - damit bewies die Praxis, welch große Bedeutung die körperliche Ausbildung für den Flieger hat.
Während der Kämpfe im Frontbogen von Kursk ging mir die schwierige Kunst des Luftkampfes allmählich in Fleisch und Blut über, und ich lernte, meine Kämpfe und die meiner Freunde zu analysieren. Ich eignete mir nach und nach schnelles Handeln und eigene taktische Verfahren an und trachtete, alle flugtechnischen Eigenschaften des Flugzeuges auszunutzen.
Im Luftkampf darf man sich niemals hinreißen lassen und den Kampf Hals über Kopf führen. Für einen unerfahrenen Flieger ist das besonders schwierig. Aber man muß sich voll und ganz in der Gewalt haben, man muß nüchterne Berechnung mit Kühnheit vereinen und muß den Feind mit Tschkalowschem Ungestüm und Können besiegen.
Wenn ich mich nach einem anstrengenden Tage abends ausruhte, dachte ich häufig über das Verhalten des Fliegers in der Luft nach und bemühte mich, alle meine Handlungen zu rekonstruieren. Eine solche Analyse half mir, einige Schlußfolgerungen zu ziehen, die mir
Weitere Kostenlose Bücher