Ich hab dich im Gefühl
hinter mir.
»’ne ganz Schicke?«, fragt er grinsend zurück. »Ach, das wollen Sie gar nicht wissen.«
»Sagen Sie’s mir trotzdem«, beharre ich, ebenfalls lächelnd.
»Das bedeutet Zicke«, erklärt er schließlich mit einem Lachen und fährt los. Mit offenem Mund bleibe ich am Straßenrand zurück.
Auf einmal merke ich, dass das Geklopfe aufgehört hat, drehe mich um und sehe, dass Dad endlich befreit worden ist. Schnell gehe ich hinein.
»Ich kann Ihnen keine Kreditkarte geben, aber mein Wort«, sagt Dad gerade langsam und laut zu der Frau an der Rezeption. »Und mein Wort ist so gut wie meine Ehre.«
»Schon okay, bitte sehr«, gehe ich dazwischen und schiebe der jungen Frau meine Kreditkarte hin.
»Warum können die Menschen heutzutage nicht mehr einfach mit Papier bezahlen?«, nörgelt Dad und beugt sich über die Theke. »Die Jugend von heute bringt sich doch nur in Schwierigkeiten, Schulden über Schulden, weil sie dieses wollen und jenes brauchen, aber keiner will dafür arbeiten, also benutzen sie diese Plastikdinger. Tja, das ist aber kein Geld für umsonst, das können Sie mir ruhig glauben.« Er nickt entschieden. »Mit so einem Dings kann man nur verlieren.«
Niemand antwortet.
Die dunkelhäutige Rezeptionistin lächelt ihn höflich an und tippt etwas in ihren Computer. »Sie teilen sich ein Zimmer?«
»Ja«, antworte ich voller Grauen.
»Mit zwei Klarinetten, hoffe ich?«
Die Frau runzelt die Stirn.
»Betten«, erkläre ich leise. »Er meint Betten.«
»Ja, zwei Einzelbetten.«
»Mit Bad?« Er lehnt sich noch weiter vor, um ihr Namensschildchen lesen zu können. »Angela, ja?«, fragt er.
»Aakaanksha. Und ja, Sir, alle Zimmer sind mit Bad und Toilette«, antwortet sie höflich.
»Oh.« Dad macht ein beeindrucktes Gesicht. »Tja, dann hoff ich mal, dass der Aufzug funktioniert, weil ich nämlich nicht heiraten möchte. Das schaffe ich nicht mit meinen Krücken.«
Ich kneife die Augen fest zusammen.
»Heiraten, Hochzeitskleid, Schleppe,
Treppe
. Krücken,
Rücken
«, erklärt er im gleichen Ton, in dem er mir als Kind Kinderreime aufgesagt hat.
»Aha. Sehr gut, Mr Conway.«
Ich nehme den Schlüssel, mache mich auf den Weg zum Aufzug und achte nicht auf sein Stimmchen, das ständig eine Frage wiederholt, während er mir durchs Foyer folgt. Ich drücke auf den Knopf für den dritten Stock, und die Tür schließt sich.
Das Zimmer ist Standard und sauber, was für mich völlig ausreicht. Unsere Betten stehen weit genug voneinander entfernt für meinen Geschmack, es gibt einen Fernseher und eine Minibar, die Dads Aufmerksamkeit fesseln, während ich mir ein Bad einlaufen lassen.
»Ich hätte nichts gegen ein Tröpfchen fein«, verkündet er schließlich und verschwindet auch schon mit dem Kopf in der Minibar.
»Du meinst Wein.«
»Ja, Wein ist fein.«
Schließlich ist es so weit, dass ich mich ins warme wohlige Badewasser sinken lassen kann, Seifenschaum steigt um mich auf, kitzelt mich in der Nase und bedeckt meinen Körper, fließt über und treibt auf den Boden, wo sich die Bläschen mit einem leisen Knacken auflösen. Genüsslich lege ich mich zurück und schließe die Augen, spüre die Blasen überall auf meinem Körper, wie sie bei der Berührung mit meiner Haut zerplatzen. Aber dann klopft es plötzlich an die Badezimmertür.
Ich versuche es zu ignorieren.
Gleich geht es wieder los, ein bisschen lauter diesmal.
Aber ich reagiere immer noch nicht.
TOCK ! TOCK !
»Was ist denn?«, rufe ich.
»Oh, entschuldige, ich dachte, du wärst eingeschlafen oder so, Liebes.«
»Ich bin in der Badewanne.«
»Das weiß ich. Da muss man vorsichtig sein in den Dingern. Wenn du einschläfst, kannst du leicht ins Wasser rutschen und ertrinken. Ist einem von Amelias Cousins passiert. Du kennst doch Amelia. Besucht manchmal Joseph, ein Stück die Straße runter. Aber nicht mehr so oft wie früher, wegen dem Badeunfall.«
»Dad, ich bin dir sehr dankbar für deine Fürsorge, aber mir geht’s gut.«
»Okay.«
Schweigen.
»Eigentlich ist aber noch was anderes, Gracie. Ich frage mich nämlich, wie lange du noch da drin bleiben willst.«
Ich packe die kleine gelbe Quietschente, die am Wannenrand sitzt, und würge sie.
»Liebes?«, fragt er mit seinem Stimmchen.
Ich halte die Ente unters Wasser und versuche sie zu ertränken. Aber als ich sie loslasse, kommt sie sofort wieder an die Oberfläche und starrt mich mit ihren dummen kleinen Äuglein an. Ich atme tief ein und langsam
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