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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Fenster fällt, sehe ich, wie er vor lauter Vergnügen mit den Beinen strampelt.
    »Oje! Ich. Kann. Nicht. Aufhören!«
    Wir keuchen und röhren und gackern, wälzen uns herum und schnappen nach Luft. Immer wieder halten wir für einen Moment inne und versuchen uns zusammenzunehmen, aber dann überkommt es uns wieder, und wir schütten uns aus, hier in der Dunkelheit, lachen über nichts und über alles.
    Doch irgendwann ebbt der Anfall ab, wir beruhigen uns, Stille kehrt ein. Aber dann furzt Dad, und schon geht es wieder von vorne los.
    Heiße Tränen rollen mir über die Wangen, die ebenfalls schon wehtun, und ich drücke sie mit den Händen zusammen, als könnte ich mich so zum Aufhören zwingen. Unvermittelt fällt mir auf, wie dicht Fröhlichkeit und Traurigkeit beieinanderliegen. Wie eng sie miteinander verbunden sind. So ein schmaler Grat, eine hauchdünne Grenzlinie, die mitten zwischen den Gefühlen flattert und das Territorium exakter Gegensätze verwischt. Die Bewegung ist minimal, wie der Faden einer Spinne, der unter einem Regentropfen zittert. Hier, im Augenblick des Lachens, das Bauch und Wangen schmerzen lässt, so dass ich mich mit zusammengekrampftem Magen und angespannten Muskeln auf dem Bett krümme, wird mein Körper von Gefühlen gebeutelt und überschreitet plötzlich die Markierung, nur ein winziges bisschen, hinein in die Traurigkeit. Nun strömen Tränen der Trauer über meine Wangen, während mein Bauch weiter vor Fröhlichkeit schmerzt.
    Ich denke an Conor, daran, wie schnell der Augenblick der Liebe sich in einen Augenblick des Hasses verwandelt hat. Eine Bemerkung hat alles verändert. Ich denke daran, dass Liebe und Hass auf demselben Boden wachsen. Daran, wie ich in meinen finstersten Momenten, in der schlimmsten Angst oft den größten Mut bewiesen habe. Wenn wir uns am schwächsten fühlen, mobilisieren wir ungeahnte Kräfte, und von ganz unten steigen wir höher hinauf, als wir es uns je hätten träumen lassen. All diese Gegensätze grenzen so dicht aneinander. Und wie schnell das eine ins andere umschlagen kann. Hoffnungslosigkeit verwandelt sich durch das Lächeln eines Wildfremden ins Gegenteil, aus Zuversicht wird Angst, nur weil wir einen kurzen Augenblick Unbehagen verspüren. Genau wie bei Kates Sohn auf dem Schwebebalken – im Bruchteil einer Sekunde war die freudige Erregung verschwunden und der Schmerz an ihre Stelle getreten. Alles ist im Fluss: Etwas sprudelt an die Oberfläche; schon ein leichtes Schütteln, ein winziges Zittern kann im Nu das Unterste zuoberst kehren. So groß ist die Ähnlichkeit zwischen unseren Gefühlen.
    Dann hört Dad auf zu lachen, so abrupt, dass ich mir Sorgen mache und nach dem Lichtschalter taste.
    Aus der pechschwarzen Finsternis wird im Handumdrehen strahlende Helligkeit.
    Dad sieht mich an, als hätte er etwas Schlimmes gemacht, aber Angst, es zuzugeben. Hastig wirft er die Decke von sich, greift sich sein Köfferchen und schlurft ins Badezimmer. Unterwegs stolpert er über alles, was ihm vor die Füße kommt, meidet jedoch so sorgfältig meinen Blick, dass auch ich lieber wegschaue. Wie rasch sich die Situation verändert hat – gerade noch haben wir uns pudelwohl gefühlt, jetzt spüre ich nichts als Beklommenheit. Gerade noch lief alles wunderbar, jetzt stecken wir in einer Sackgasse – eine Erkenntnis, die nicht mehr als eine Sekunde gedauert hat. Ein Aufflackern und Erlöschen.
    Dad kommt ins Bett zurück, in einer frischen Pyjamahose und mit einem Handtuch unter dem Arm. Ich mache das Licht aus. Jetzt sind wir beide ganz still. Aus Licht wird wieder Dunkelheit. Ich starre weiter an die Decke und fühle mich einsam, wo ich doch vor wenigen Augenblicken glaubte, sicher und geborgen zu sein. Gerade noch meinte ich, die Antworten zu kennen, aber jetzt haben sie sich wieder in Fragen verwandelt.
    »Ich kann nicht schlafen, Dad«, sage ich leise, und meine Stimme klingt wie die eines Kindes.
    »Schließ die Augen und schau in die Dunkelheit, Liebes«, erwidert Dad, und auch er hört sich an, als wäre er dreißig Jahre jünger.
    Wenige Minuten später beginnt er leise zu schnarchen. Gerade noch war er wach … und schon ist er eingeschlafen.
    Ein Schleier hängt zwischen zwei Gegensätzen, dünn, durchsichtig, nur ein Hauch, der uns warnen soll – und trösten. Jetzt bist du voller Hass, aber schau durch den Schleier, und dort erkennst du die Möglichkeit zu lieben. Jetzt bist du traurig, aber wenn du auf die andere Seite

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