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Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Titel: Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva;Buccieri Mozes Kor
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dass vom Führungsstab der Nationalsozialisten Befehle ausgegeben worden waren, wonach Dr. Mengele das sogenannte Zigeunerlager »liquidieren« sollte, in dem sich mehr als zweitausend Gefangene, meist Frauen und Kinder, befanden. Obwohl Mengele die Zigeuner für seine Forschungen aufzubewahren versucht hatte, befolgte er die Befehle. Sie wurden in die Gaskammern gebracht, getötet und eingeäschert.
    Man verfrachtete Miriam und mich und alle Zwillinge aus unserer Baracke von unserem Lager ins nun leer stehende Zigeunerlager. Die Insassen hatten Decken und bunte Gemälde an den Wänden hinterlassen. Wir wussten nicht, weshalb die Nazis uns in ihr Lager verlegt hatten. Es lag in der Nähe einer Gaskammer und eines Krematoriums, und das Gerücht ging um, dass wir als Nächste vergast würden.
    An jenem ersten Tag standen wir von fünf Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags beim Zählappell draußen in der Kälte, während hier und da Schneeinseln den Boden bedeckten. Es war der längste Zählappell, den wir je mitmachen mussten, weil eine Gefangene fehlte. Der Gestank des Krematoriums schwängerte die Luft, vermischte sich mit Kälte und Nebel. Meine Füße erfroren und die meiner Schwester ebenfalls. Wir fanden nie heraus, wohin die Gefangene entkommen war.
    In den nachfolgenden Wochen blieben wir im Zigeunerlager, wir lebten im Schatten des Krematoriums in der beständigen Furcht, getötet zu werden. Wir erfuhren nie, wieso das nicht geschah. Vielleicht retteten uns Befehle aus Berlin, dass keine Juden mehr vergast werden sollten. Die Nationalsozialisten müssen inzwischen gewusst haben, dass sie im Begriff waren, den Krieg zu verlieren. Vielleicht wollten sie ihre Gräueltaten vertuschen.
    Dann, Anfang Januar 1945, mussten immer mehr Menschen auf Befehl der SS die Baracken verlassen und Gewaltmärsche antreten. »Raus! Raus!«, schrien sie. »Alle raus! Wir bringen euch zu eurem eigenen Schutz weg von hier.« Wir hörten, dass jetzt Tausende von Menschen tief ins Landesinnere von Deutschland marschieren mussten.
    »Ich werde die Baracke nicht verlassen«, sagte ich zu Miriam. »Ich gehe auf keinen Marsch.« Ich überlegte mir, dass die Nazis nicht besonders freundlich zu uns gewesen waren, als sie den Krieg zu gewinnen schienen, also würden sie bestimmt kein bisschen freundlicher sein, wenn sie ihn verloren. Wir blieben.
    Zu meiner Verwunderung kam niemand und holte uns. Die Nationalsozialisten hatten es so eilig, alle herauszuscheuchen, dass sie sich nicht die Mühe machten, jede Baracke zu kontrollieren. Ein paar Zwillinge blieben gemeinsam mit uns zurück, auch Frau Csengeri und ihre Töchter. Damals ahnte ich nicht, dass viele andere ebenfalls zu bleiben beschlossen hatten.
    Am nächsten Morgen wachten wir auf und uns wurde bewusst, dass wir den Zählappell verpasst hatten. Wir entdeckten, dass die Nazis weg waren … zumindest schien es so. Wir sahen keine Wachen, keine SS, keinen Dr. Mengele.Wie froh und glücklich waren wir! Die Nazis waren weg! Jetzt waren wir auf uns selbst gestellt. Ich verbrachte meine Zeit damit, nach Essbarem, Wasser und Decken zu suchen, um meine Schwester und mich am Leben zu erhalten.
    Einer der männlichen Gefangenen hatte ein Loch in die Stacheldrahtabsperrung geschnitten, sodass wir von einem Lager ins andere wechseln konnten. Zwei andere Mädchen und ich begaben uns auf die Suche nach zurückgelassenen Dingen und durchkämmten Fläche um Fläche. Ich brauchte dringend Schuhe. Ich trug immer noch jene von zu Hause, die ich angehabt hatte, als ich in Auschwitz eingetroffen war. Die Sohlen klappten immer wieder herunter. Ich band sie mit einem Stück Schnur fest, aber es war immer noch ziemlich schwierig, damit zu laufen. Miriams Schuhe waren in besserem Zustand, weil sie in der Baracke geblieben war und unsere wenigen Habseligkeiten bewacht hatte, wenn ich zum Organisieren unterwegs war.
    Die Mädchen und ich gingen zu dem Ort, an dem die Nazis alle Kleider, Schuhe und Decken aufbewahrten, die sie den Gefangenen weggenommen hatten. Es war ein riesiges Gebäude, von den Nazis »Kanada« genannt, vielleicht weil sie Kanada als Ort des Überflusses sahen. Persönliche Habseligkeiten türmten sich bergehoch bis zur Decke. Ich durchstöberte sie nach Schuhpaar für Schuhpaar, aber ich fand kein passendes, und so wählte ich schließlich eines, das zwei Nummern zu groß war. Ich füllte den Raum um die Zehen mit Stofffetzen und umwickelte die Schuhe mit einer Schnur. Zumindest hatte ich

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