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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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und flüsterte mir ins Ohr: »Mein Master
auf Lady’s Island hat mich für drei Jahre hinunter nach Georgia geschickt. Das
war, bevor Mamadu gestohlen wurde.«
    Ich wich ein Stück
zurück und sah ihm in die Augen. Er lächelte mich an und fuhr mir mit der Hand
übers Haar.
    »Mein Master und deiner
kannten sich«, sagte er. »Sie haben mich weggeschickt, damit es keinen Ärger
gab.«
    Ich nahm seine Hand.
»All die Zeit«, sagte ich. »Ich war sicher, dass du mir die Schuld gabst.«
    »Woran?«
    »Unser Kind zu
verlieren.«
    Chekura legte die Arme
um mich und brachte mich wieder näher an seinen Körper. »Welcher Mutter kam man
die Schuld daran geben, ihr Kind zu verlieren?«
    Wir lagen Seite an
Seite, meine Hand auf seiner Hüfte. »Was musstest du unten in Georgia tun?«,
fragte ich.
    »Reis pflanzen«, sagte
er. »Das ist schlimmer als Indigo. Viel schlimmer. Die ganze Zeit im Wasser zu
stehen. Und wenn du nicht hart genug arbeitetest, wurdest du ausgepeitscht. Und
wenn doch, starbst du an Erschöpfung. Ich habe drei Jahre durchgehalten.«
    Chekura zog mein
Gesicht an seine Brust und flüsterte: »Als sie mich zurück nach Lady’s Island
schickten, wusste ich, dass du in Charles Town warst. Aber es waren keine
Ausflüge und kein Handel mehr erlaubt. Sie haben Wachposten aufgestellt, um die
Neger nachts vom Herumstreifen abzuhalten. Ich habe es an ihnen
vorbeigeschafft, bin aber in eine Falle gegangen.«
    Ich hob den Kopf und
sah ihm in die Augen. Ich nahm seine Hand, streichelte sie und berührte den
halben Finger.
    »Meine Strafe«, sagte
er.
    Ich küsste die neun
gesunden Finger und blieb lange bei seinem zehnten, streichelte die verbliebene
Hälfte und rieb mit den Lippen darüber. Ich war voller Liebe für diesen Mann,
dachte dann aber, was ich empfinden würde, wenn er in meinen Körper eindrang
und anschließend wieder vierzehn Jahre verschwand.
    »Deine Augen sind rund
wie Eicheln, und die Monde auf deinem Gesicht sind wunderschön«, sagte er.
    Ich dachte, wie gut ich
meine gesamten Zwanziger über ausgesehen hatte, als ich die betrunkenen,
widerwärtigen Annäherungsversuche der Männer in Charles Town, weißer wie
schwarzer, abwehren und die hungrigen Blicke von Solomon Lindo und den wenigen
Freunden, die er ins Haus brachte, ertragen musste. Heute war ich dreißig und
hatte nichts vorzuweisen. Keinen Sohn. Keine Familie. Keine Heimat. Und auch
meine Schönheit würde bald schon vergehen.
    »Sei nicht traurig«,
sagte Chekura und ließ die Finger über meine Arme wandern. »Keine Monde so
schön wie deine haben je den Atlantik überquert«, sagte er. »All die Jahre, die
ich dich vermisst habe, habe ich immer aufs Neue auf die schmalste Sichel des
Mondes gewartet, und in jenen Nächten, ein-, zweimal im Monat, wenn sie hell
und klar am Himmel stand, hatte ich das Gefühl, du wärest bei mir.«
    Ich brach in Tränen
aus. Chekura nahm mich in die Arme, drückte mich fest an sich, und als mein
Schluchzen in ein stilles Weinen überging, spürte ich, wie sich seine Brust
stetig hob und senkte. Ich lag noch lange wach, nachdem Chekura zu schnarchen
begonnen hatte, und fragte mich, ob ich ihn noch sehen würde, wenn der Tag
anbrach. Am Ende wachte ich vor ihm auf und fand ihn mit der Hand in meiner. Ich
drückte sie an meine Brust. Wir waren einmal über den Besen gesprungen, hatten
einen Sohn gezeugt, und ich hatte gehofft, wir könnten alle zusammenbleiben.
    Chekura wachte auf und
fand unsere Hände ineinander. Er drehte mir den Kopf zu. »Ein Mann braucht seine
Frau«, sagte er. »Würdest du mich jetzt lieben?«
    Das weiche Morgenlicht
umfloss sein Gesicht, und ich sah ein, zwei Falten an seinen Augenwinkeln.
Dieser Mann war einmal drei Monde lang mit mir bis zur Küste unseres
Heimatlandes gegangen. Dieser Mann hatte wieder und wieder sein Leben riskiert,
um mich nachts bei den Indigofeldern auf St. Helena zu besuchen. Er hatte einen
halben Finger und sein Haar verloren, doch nicht seine Liebe für mich. Ein
lange vergrabenes Verlangen meldete sich in meiner Kehle, und ich spürte die
gleiche Wärme und Nässe wie in den tausend Nächten, in denen ich Chekura
vermisst hatte, nur dass er diesmal hier bei mir war und mir gehörte.
    Ich hatte keine Ahnung,
wann ich ihn wiedersehen würde, und wollte jeden Moment genießen, den wir
zusammen hatten. Ich küsste und berührte jeden Zentimeter seiner Haut, räkelte
mich in seinem Geruch und seinem Schweiß und spürte, wie meine Leidenschaft
unter seiner

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