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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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etwa zwei Unzen Flüssigkeit, waren aber alle verschieden geformt,
manche zylindrisch, manche bauchig, andere eckig oder kugelförmig. Ich füllte
sie mit Rum und verkorkte sie.
    Monatelang benutzte ich
die glatten, schlanken Flaschen mit den blauen Farbwirbeln, um auf dem Markt
einzukaufen. Die Neger-Hausierer liebten den Rum und bewahrten die Flaschen
auf, glaubten sie doch, es bringe Glück, in blaues Glas zu blasen. Sie nannten
mich das Blauglas-Mädchen, wenn sie mich kommen sahen, und die Flaschen, die
ich eintauschte, wechselten zwischen den Händen etlicher Käufer und Verkäufer
hin und her.
    Abends legte ich mich
im Hinterhaus schlafen und fühlte mich schrecklich einsam ohne Dolly und ihren
Sohn. Es kam mir wie wider die menschliche Natur vor, allein schlafen zu
müssen. Manchmal tröstete ich mich mit Gedanken an meine Eltern in Bayo oder an
Georgia, wie sie warm und schnarchend in unserem gemeinsamen Bett auf der
Plantage von Appleby gelegen hatte. Wenn ich nicht einschlafen konnte, blieb
ich bis spät auf, las meine Bücher wieder und wieder und dachte an die Menschen – Georgia, Chekura, Mamed, Dolly und Mrs Lindo – die Teil meines Lebens gewesen
waren, als ich sie zum ersten Mal gelesen hatte.
    Eines Abends hörte ich
spät noch Schritte unten im Haus. Ich sprang aus dem Bett und bedeckte mich mit
meinem Wickelkleid.
    »Wer ist da?«, rief
ich.
    »Aminata?« Es war die
flüsternde Stimme eines Mannes.
    Ich erstarrte. Wann
hatte mich zuletzt jemand mit meinem afrikanischen Namen gerufen?
    Als Chekura die oberste
Stufe erreichte, flog ich in seine Arme. Meine Hände drückten auf seinen
Rücken, meine Zehen standen auf seinen Zehen, und ich spürte meine Kindheit in
seinem Fleisch, meine Heimat in seiner Stimme. Minutenlang klammerte ich mich
an ihn und hatte fast so etwas wie Angst zu sehen, was für ein Mann er geworden
war. Was, wenn er nicht länger der Junge war, der mir auf dem langen Marsch zur
afrikanischen Küste geholfen hatte, am Leben zu bleiben? Was, wenn er nicht
länger der junge Mann war, der mich geheiratet und mir einen Sohn geschenkt
hatte?
    Sein Haar war
ausgefallen, und sein kahler Kopf schimmerte im Licht. Er war immer noch
schlank, kaum schwerer als ich, und nur ein paar Zentimeter größer. Die Hälfte
des Mittelfingers seiner linken Hand fehlte, aber er trug noch das Lächeln auf
dem Gesicht wie während des Fußmarsches durch unsere Heimat. Ich liebte das
Licht in seinen Augen und die Art, wie sich seine Lippen zu einem Grinsen
verzogen, wenn er mich ansah. Wir begannen zu reden, als hätten wir uns erst
tags zuvor noch gesehen.
    »Wie hast du mich
gefunden?«
    »Ich habe einfach nach
dem Haus von Lindo, dem Juden, gefragt«, sagte er.
    »Und wie bist du nach
Charles Town gekommen?«
    »Ein Mann, der auf dem
Land Tabak und Rum verkauft, hat mich zum Markt hier in Charles Town
mitgenommen.«
    »Wie lange kannst du
bleiben?«
    »Nur heute Nacht. Aber
vielleicht kann ich ein-, zweimal oder so im Monat zurückkommen.«
    »Vielleicht kannst du
ein-, zweimal oder so zurückkommen«, sagte ich, ließ ihn los und setzte mich
aufs Bett.
    Er setzte sich neben
mich und legte seine Hand auf meine. Ich schob sie weg. Er legte sie zurück,
aber ich stieß sie erneut weg.
    »Nein«, sagte ich, »das
geht nicht. Ich habe dich mehr vermisst, als du es dir überhaupt vorstellen
kannst. Trotzdem kannst du jetzt nicht einfach mit dem Versprechen zurück zu
mir ins Bett klettern, dass du vielleicht ein-, zweimal oder so zurückkommst.«
    »Hast du etwas zu
essen?«
    »Ich esse in der Stadt.
Hier gibt es nichts. Lindo ist weg.«
    Er fuhr mir mit den
Fingern über die Wange. »Dann kannst du mit mir kommen, ohne dass er es merkt.«
    Ich wandte den Blick
von ihm ab. »Du willst, dass ich mit dir aufs Land fliehe? Und der Mann, dem du
gehörst?«
    »Der lässt mich
vielleicht ein, zwei Tage gehen. Ich kenne ein paar Orte, wo wir allein sein
könnten.«
    »Ein, zwei Tage sind
nicht das, was ich mit dir will«, sagte ich.
    »Manchmal sind ein,
zwei Tage alles, was wir bekommen können«, sagte Chekura.
    Eine Weile lang sagten
wir beide nichts.
    »Ich habe den Mann
geheiratet, den ich liebte«, sagte ich.
    »Und der Mann, der dich
liebte, hat dich geheiratet«, sagte er.
    »Willst du mich noch?«,
sagte ich.
    »Ich wollte dich immer
und habe nie damit aufgehört.«
    »Du bist nicht einmal
zu mir gekommen, als sie Mamadu weggeholt hatten.«
    Chekura streckte sich
auf dem Bett aus, zog mich neben sich

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