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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Messner
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Albergue - also Herberge - auch genannt wird, ist wortwörtlich gemeint nur ein Zufluchtsort. Die Bezeichnungen sagen aber hier am Camino rein gar nichts über die zu erwartenden Qualitäten der Unterkunft aus. Auch Bezeichnungen wie Hotel, Hostal, Pension, Rural oder die Anzahl der aufgeführten Sterne sind kein objektives Kriterium für die Planung der Übernachtung. Zwischen fieser Siffbude und glänzendem Palast ist immer alles möglich. Deshalb lernen wir: Erst schauen und anfassen, dann kaufen.
    Hier in Puente la Reina gibt es offiziell eine ja eigentlich unmögliche Perversität zu bewundern: Vor dem Eingang der Kirche der Santa Maria mitten im Ort liegt nicht irgendein Grabstein, sondern der eines Papstsohnes. Nein, kein perfider Scherz eines Heidenkindes, das ist historisch überliefert. Der kleine Cesare Borgia ist mit 15 Jahren Bischof von Pamplona. Seine guten Beziehungen nach ganz oben helfen ihm aber weniger, als es 1507 das Örtchen Viana zu erobern gilt. Er fällt.
    Tatsächlich ist die spanischstämmige Familie Borgia im Mittelalter an allen Frontabschnitten gleichzeitig aktiv gewesen: In der Kirche und im Ehebett. Als der machtgeile Vorstandsvorsitzende der raffgierigen Borgias zum Papst Alexander VI. wurde, hatte er eben schon seinen Sohn Cesare. Natürlich hat der gute Mann ab dem heiligen Zeitpunkt seiner Wahl nur noch keusch und abstinent mit seiner Haushälterin und deren kleinem Sohn abends am Küchentisch Mau-Mau gespielt. Das ist aber nicht mehr so genau überliefert. Mit Katholikenfresser Martin möchte ich das auch nicht weiter diskutieren. Er hat gar keine gute Meinung von der Kirche, finde ich.
    Abends essen wir das gemeinschaftliche Pilgermenü in Martins Refugio. Hier gibt es sogar einen Swimmingpool. Der ist kalt und menschenunwürdig schmutzig, aber immerhin. Wir unterhalten uns an der langen Tafel zwischenSpaghetti und Rotwein sehr lustig mit vier Damen -ebenfalls aus Kanada. Dieses Land muss leer sein, so viele von denen sind hier unterwegs. Was treibt die Leute aus dem dünn besiedelten Naturparadies Kanada ins dünn besiedelte Naturparadies Nordspanien? Um zehn müssen die Herbergsgäste ins Bettchen und ich mache mich auf den Heimweg ins Städtchen. Die Brücke der Königin ist toll angestrahlt und auch am heutigen, ganz normalen Sonntagabend sind auf den Plätzen und in den Bars die Bewohner unterwegs, als wäre Kirmes. Wirklich feierfreudig, diese Spanier. Pilgern ist wohl ein kanadischer Wunschtraum .
    Und er sprach zu mir: Gehe hin; denn ich will dich ferne unter die Heiden senden! Apostelgeschichte 22.21

6. Tag von Puente la Reina nach Estella Lizzara
    An Tag sechs sieht man eine gewisse Pilgerroutine entstehen. Und das ist gut so. Auch der Pilger ist eben ein Gewohnheitstier. Nach einer guten Nacht im Hotel in Puente la Reina bin ich um zehn vor sechs morgens aufgestanden und habe mich um 6.30 Uhr mit Martin auf der Brückegetroffen. Auf nach Estella Lizzara. Wir haben jetzt weniger als 700 Kilometer bis zum Ziel! Schon 100 Kilometer gelaufen. Darauf sind wir ein bisschen stolz.
    Die erste halbe Stunde geht es im Dunkeln aus dem Ort durch die Felder. Hinter uns steigt die Sonne auf und nach ein paar Minuten schliert eine tolle Mischung aus Dämmerlicht und Sternenhimmel übers Firmament. Eine herrliche halbe Stunde. Schön und kühl, still und ein bisschen einsam. Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen.
    Gefrühstückt habe ich die Reste vom Vortag -unterwegs beim Laufen. Gestern Abend noch habe ich die beiden kleinen Zehen, den linken Fußrücken und unter dem rechten Ballen abgeklebt. Noch immer habe ich mir keine Blase gelaufen. Ich weiß das Privileg zu schätzen und genieße dafür umso mehr die Landschaft, das Wetter und die tollen Natursteinhäuser.
    Aus meinen Bundeswehrzeiten weiß ich, wie übel man sich die Füße kaputtlaufen kann. Ich habe immer schnell und reichlich Blasen gehabt. Ich habe die groben Stiefel, die rauen Socken, das schwere Gepäck und das schnelle Marschtempo in der Kombination nicht vertragen. Einmal hat man mir im Sanitätsbereich nach ein paar Tagen Durchschlageübung die Haut in großen Fetzen von den Fußsohlen gezogen. Alles abgelöst. Auch die alten Armeerucksäcke, die die ganze Last auf denSchultern abladen, waren mir ein Graus. Auf meinem Camino kann ich das alles selbst bestimmen. Bequeme Wanderstiefel, gute Socken, Minimumgepäck in professionellem Rucksack und ein Tempo wie es mir gefällt. Klare Erkenntnis: Zu Fuß gehen kann so

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