Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Ventilators vor dem offenen Fenster. Ich bin geduscht. Um fünf geht es in die City. Einkauf für morgen früh und Sightseeing - Pilgerroutine.
Die täglich zu beobachtende Pilgergemeinde ist weiterhin mindestens 250 Leute stark, meist spanisch, fast alle in Gruppen oder Duos. Alleinpilger machen keine zehn Prozent aus. Langsam machen wir uns Sorgen, dass auch im September so viele Jakobspilger den Wanderstock ergriffen haben, dass die Betten knapp und der tägliche Weg von Pilgerhorden beeinträchtigt werden könnte. Die Pilgerzahlen sind ja nun seit 1989 von rund 5800 auf mehr als 180.000 im Jahr 2011 gestiegen. Einsamkeit ist wirklich anders. Pilgern ist in .
Denn das Bett ist so eng, dass nichts übrig ist, und die Decke so kurz, dass man sich drein schmiegen muss. Jesaja 28.20
7. Tag von Estella nach Los Arcos
Der Weg führte heute durch die sanften Hügel des Rioja. Kurz nach dem Start der Knaller: Das mehr als 1000 Jahre alte Kloster Irache wartet mit einem Weinbrunnen für die Pilger auf. Kein Scherz, auch kein Wunder: Hier wird gewissermaßen Wasser in Wein verwandelt. Ein roter Landwein sprudelt aus dem Hahn - lecker und lustig um 7.30 Uhr in der Früh. Mit der halben Trinkflasche voll des guten Getränks geht es weiter nach Westen.
Hinter uns steigt wieder die Sonne auf. Wir pilgern fröhlich über Hügel und durch Täler auf und ab. In den ersten zwei Stunden kann man in der frischen Morgenluft gut noch die Jacke gebrauchen. Martin und ich erwärmen uns an verklärten Jugenderinnerungen. Die Musik der 80er war doch die beste.
Wir sind wieder in Rumalber-Laune. Auf die bekannte Melodie des Laufschritt-Singsangs amerikanischer Soldaten singen wir: „If my backpack is to heavy, I can give it to my Packi - wenn mein Rucksack zu schwer ist, gebe ich ihn einfach meinem Packesel“. Bei der Vormittagsrast treffen Martin und ich die Irin Holly und die junge, deutsch sprechende Inderin Malati, die in Nürnberg arbeitet. Das schmale Persönchen schleppt elf Kilo und musste sich gestern nach Fuß-Problemen neue Halbschuhe kaufen. Erstaunlich, wie viele Leute trotz all der Internet-Infos unzureichend vorbereitetsind. Ihre Wade zwackt zudem und sie schleppt sich mit uns ins Ziel in Los Arcos. Erst seit wenigen Jahren in Deutschland, hat sie in kürzester Zeit Deutsch gelernt, studiert und einen Job in einem der größten Unternehmen Deutschlands ergattert. Eine clevere junge Dame. Ihr fast fehlerfreies Deutsch und ihr Englisch sind bereits mit einem sanften bayerischen Akzent eingefärbt, was bei ihrem eindeutig indischen Aussehen eine lustige Mischung ergibt. Sie wird zudem die einzige Hinduistin bleiben, die ich auf dem Weg treffe. Moslem war gar keiner dabei. Die waren wohl alle gerade in Mekka. Andererseits gibt der Finne und Protestant Peter eine eindeutige Weisheit zu diesem Thema ab: „Sind wir hier nicht alle ein bisschen katholisch?“
Martin und ich entscheiden uns in Sachen Übernachtung für das im Führer empfohlene Hostal Casa Austria gleich am Eingang des Ortes. Einfach, aber o.k. Ich nehme ein Einzel-, die Inderin ein Vierer- und Martin ein schmuckes Achterzimmer. Kasernencharme mit gemeinsamer Dusche inklusive. Es gibt sogar Frühstück - was das auch immer hier diesmal bedeuten soll. Unsere Frühstückserfahrungen sind bisher klassisch spanisch und damit recht erniedrigend. Spanier frühstücken bestenfalls ein süßes Teilchen oder Toastbrot mit Marmelade und dazu einen Kaffee. Für einen körperlich arbeitenden Pilger ist dieser Zuckerschock nach wenigen Minuten verdaut. Unddann hat man noch etwas Nahrhaftes dabei oder hofft auf die nächste Bar mit dem berüchtigten belegten Brot namens Boccadillo: Baguette mit Schinken, Käse oder gar einer Tortilla, einem Rührei, belegt. Manchmal lecker, manchmal einfach nur schwer verdaulich und trocken.
Mal schauen, was die Gesundheit macht. Abends kontrolliere ich immer meine Füße: Eine Druckstelle links innen am kleinen Zeh. Muskelkater: fast weg, Fußsohlen: tun weh, der Rücken: auch ein bisschen. Also alles in Ordnung. Morgen geht es nach Viana gut 20 oder in die Haupstadt der Region Rioja, Logrono, 28 Kilometer weit. Ich plane nicht konkret, sondern entscheide im Laufe des Tages, wie weit es gehen soll.
Beim Abendessen geht es wieder lustig zu: Inderin Malati gibt eine neue Version der Jakobs-Legende zum Besten. Da wird ja viel wildes Zeug erzählt und geschrieben, aber die Story, die sie im Internet gelesen haben will - ich tippe auf
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