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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Messner
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Fließbandhochzeiten. Und das erklärt dann auch, warumes so schwierig war, eine Übernachtung von heute auf morgen im Hotel zu bekommen: Am frühen Samstagabend tauchen überall die elegant bis kitschig, in jedem Fall aber festlich gekleideten Hochzeitsgesellschaften zum Feiern auf. Und die vielen Gäste übernachten hier überall in den Innenstadt-Hotels.
    Nachmittags sitze ich mit drei Deutschen vor einer Kirche in der Sonne und wir erzählen uns unsere schönsten Geschichten über mangelnde Hygiene auf dem Camino. Immer wieder ein beliebtes Thema. Die lustigen Erlebnisse rund um schäferhundgroße Bettwanzen und Kopfläuse, fehlendes Klopapier, Fußpilz und fleckige Matratzen werden allerdings vom Deutsch-Österreicher Karl getoppt. Der hat in den 70er Jahren Malaria in Mali und Notoperationen in Saudi-Arabien überlebt. Bei seinen Horror-Storys stelle ich schnell fest: Da hat man es in einer Herberge doch ganz schön gemütlich. Allerdings sind wir alle der Meinung, dass es in Sachen Hygiene in den Herbergen zu nachlässig zugeht -bis hin zum offen Ekelhaften. Ist das eigentlich ein Teil des Abenteuers Camino oder ein überflüssiges Versäumnis der Herbergsbetreiber?
    Abenteuerlich sind auch viele kleine Stolperfallen und unauffällige Bordsteine in Léon. In so einer mittelalterlichen Innenstadt herrschen natürlich keine DIN-Treppenstufen vor. Ich stolpere heute einige Male in den Übergängen zwischendem blendend grellen Sonnenlicht und dunklen Schatten. Ein Mal trete ich sogar mit voller Wucht gegen einen nur wenige Zentimeter hohen Vorsprung mitten auf dem Bürgersteig. Zum Glück steht in dem Augenblick keiner meiner Zehen vor und die vorn offene Sandale fängt den harten Stoß mit der Sohle ab. Zu Hause würde man eine Woche humpeln, aber hier wäre ein Zehbruch wohl das Ende des Weges. Kein schöner Gedanke. So ein alberner Unfall und alles ist vorbei.
    Ein Bekannter aus meinem Heimatort lässt heute bei meinem täglichen Telefonat mit der holden Ehefrau bei mir anfragen, ob es nicht inzwischen langweilig werde, wochenlang auf dem Camino unterwegs zu sein. Gute Frage. Ich hatte, glaube ich, noch keine Gelegenheit und keinen Anlass, darüber nachzudenken.
    Wie langweilig findet man als moderner Mensch die Situation, auf sich selbst und seine Gedanken, auf die ursprünglichste körperliche Aktivität, das Laufen, und auf das Gespräch mit täglich wechselnden Fremden reduziert zu sein? Diese Situation des potenziellen Alleinseins ist Teil der Herausforderung neben dem rein physischen Kraftanteil. Ich war in bisher viereinhalb Wochen oft allein, aber kaum einsam. Und langweilig war es gar nicht. Dafür gibt es einfach viel zu viele Erlebnisse und Eindrücke: Menschen, Landschaften, Architektur, Sprachen und Kulturen satt. Vielleicht ist es auch gerade die Langsamkeit, diekeine lange Weile aufkommen lässt. 800 Kilometer - die wären mit dem Auto an einem einzigen und ganz schön langweiligen, ja sogar verlorenen Tag zu schaffen. Eine absurde Vorstellung.
    Der Weg ist ja hier die Hauptsache und nicht, wie sonst im modernen Leben, nur das Mittel zum Zweck, um das angepeilte Ziel schnell zu erreichen. Der Gedanke, dass ich die ganze Camino-Strecke an einem einzigen Tag auf der Autobahn zurücklegen könnte, ohne Blick nach rechts oder links, lässt mich schmunzeln. Bin ich doof, wenn ich hier zur Fuß gehe, wenn es auch schneller gehen könnte? Der Unterschied zwischen den möglichen menschlichen Fortbewegungsarten ist auf dem Camino jedenfalls unermesslich.
    Pilgern ist Slow Food für die Seele .
    Wo man nicht mit Vernunft handelt, da geht's nicht wohl zu; und wer schnell ist mit Füßen, der tut sich Schaden. Sprüche 19.2

26. Tag von Léon nach Villar de Mazarife
    Und weiter geht´s. Gut ausgestattet mit Lebensmitteln für zwei Tage, heute ist Sonntag der 25. September, schleppe ich zwei Kilo mehr mit mir rum als sonst. Aus den geplanten 22 Kilometern mache ich spontan vier mehr - nach einer halbenStunde in Léon fällt mir beim Fotografieren des Parador-Hotels nämlich verblüffenderweise auf, dass ich beide Hände frei habe. Hier stimmt doch etwas nicht!? Und richtig: Ich habe meinen Stock im Hotelzimmer vergessen! Ich wusste, dass etwas anders ist, als ich rausgegangen bin. Aber was? Also flott zurück und nochmal von vorn. Ich hatte bis 8.30 Uhr gut geschlafen, obwohl die lärmenden Léonesen um etwa halb elf nachts ein Konzert auf der Plaza Isidoro vor meinem Hotel begonnen hatten. Keltisch-mystische

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