Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
- gestorben. Ich vermute einen Magendurchbruch oder Leberkrebs, halte aber meine Klappe. Voilà, freut sich Pierrot: Sein Opa sei der Beweis für den Jungbrunnen Rotwein.
Ich bin nicht auf dem Camino, um mit allen heidnischen Bräuchen dieser Erde aufzuräumen -und so proste ich ihm einfach lächelnd zu. Immerhin ist Saufen vegetarisch. Nicht, dass wir jetzt auch noch über die negativen Folgen der industriellen Fleischproduktion fabulieren. Pilgern heißt, das Thema zu wechseln .
Weh denen, die Helden sind, Wein zu saufen, und Krieger in Völlerei; Jesaja 5.22
24. Tag von Mansilla nach Léon
Auf den heutigen 19 Kilometern gab es wieder eine Premiere: Die allererste McDonalds-Tüte meines Caminos liegt am Straßenrand. Tatsächlich ist klar, dass der weltumspannende Fleischbrötchen-Gigant hier in Nordspanien nichts zu kamellen hat. Selbst in den größeren Städten liegenbei den Basken und Kastiliern, Léonesern und Galiciern die heimischen Tapas und Paellas deutlich höher im Kurs. Und hier fragt auch keiner immer gleich nach der Art der Freilandhaltung der Schnitzelspender.
Der Weg nach Léon ist auf einigen Kilometern mit Abstand das Scheußlichste des bisherigen Weges. Teilweise nur im Zentimeterabstand zur stark befahrenen Hauptstraße, lässt der Camino dem Pilger kaum Platz zum Atmen. Es ist zwar nicht gefährlich aber lästig. Wie schon seit vielen Tagen wirken die rasenden Fahrzeuge im Verhältnis zu unserer Langsamkeit völlig unwirklich.
Eine alte Brücke ohne Fußweg oder Randstreifen und mit Lkw-Begegnungsverkehr ist der negative Höhepunkt dieses Weges in die Stadt. Wer hier als Pilger durch will, muss teilweise minutenlang eine Lücke im Verkehr abwarten, um dann die 20 Meter lange Engstelle rennend zu überbrücken. Geschätzter Abstand zwischen Schulter und Lkw: zehn Zentimeter. Warum hier, so wie sonst auch, keine Fußgängerbrücke neben die uralte Straße gebaut wurde, bleibt ein Rätsel. Sollte ausgerechnet hier, vor dem touristisch bedeutenden Léon, kein EU-Geld für einen sicheren Camino zur Verfügung gestanden haben?
Eine freundliche Senora erklärt bei einer kurzen Pause nach der Selbstmörder-Brücke, welche Herberge (nämlich die der Benediktinerinnen) und welches Restaurant (habe ich vergessen) für michPilger die Besten seien. Erstaunlicherweise scheint ihr Spanisch dem Deutschen sehr nahe zu kommen, oder ich hab mich inzwischen reingehört in das hiesige Idiom, denn ich verstehe fast alles und kann mich für die guten Tipps bedanken. Vielleicht hat sie aber auch aus Erfahrung einfach nur Spanisch für Einjährige mit mir gesprochen…
Die Camino-Ausschilderung in die Stadtmitte wird dann zum ärgerlichen Verwirrspiel. Gelbe Pfeile hier und da. Nach rechts, nach links, nur nicht geradeaus, wo es dem Stadtplan nach eigentlich hingehen müsste. Mein Weg führt mich dann tatsächlich in die Irre zur äußerlich recht gammeligen städtischen Herberge. Da hatte die freundliche Senora wohl recht mit ihren Anregungen. Nach einer Stunde des Suchens und Herumirrens stehe ich schließlich am belebten Freitagnachmittag endlich vor der Kathedrale. Kein Wunder, dass man sie erst sieht, wenn man davorsteht: Die Türme sind recht niedrig und der ganze Bau steht in einer Senke.
Mit dem Stadtplan der Touristinfo in der Hand, geht es dann auf die erstmals mühsame Zimmersuche. Erst im fünften Hostal gibt es ein Zimmer für zwei Nächte am Stück, denn ich will hier meinen dritten Ruhetag einlegen. Das Zeitpolster bis zum Treffen mit Frau und Tochter kurz vor dem Berg Cebreiro gibt es her - und die Beine und Muskeln fordern es. Außerdem bin ich hier im Urlaub und nicht auf der Flucht.
Ist die Überfüllung der kleinen Hotels nun ein erstes Indiz für einen mit Touristen und Kurzpilgern ab hier volleren Camino? Morgen spiele ich selbst Tourist. Und zum ersten Mal seit gut vier Wochen klingelt morgen früh kein Wecker. Luxus.
Unterwegs habe ich heute wieder Jennifer aus Südafrika und Andrea getroffen. Warum sind sie hier? Jennifer hat in den vergangenen Jahren erst den Ehemann von den Seychellen und dann 80 Kilo Gewicht abgelegt, wie sie zu meiner Verblüffung schildert. Ihre Tochter ist eine in Südafrika bekannte Ultra-Sportlerin und rennt schon mal ein paar hundert Kilometer am Stück. Das blieb natürlich nicht ohne Eindruck auf die Mutter. Als die Musikmanagerin vor ein paar Jahren erstmals von der Existenz des Camino erfuhr, fand sie diese Kulturveranstaltung im guten alten Europa
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