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Ich habe mich verträumt

Ich habe mich verträumt

Titel: Ich habe mich verträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristan Higgins
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Kloß im Hals, mit rasendem Puls. Ich merkte, dass ich mich an Julians Jackenärmel festklammerte. Beruhige dich, Grace, beschwor ich mich selbst. Vielleicht war ‚Die Luft ist rein‘ ja nicht so mysteriös wie ich vermutete. Vielleicht hatte Mom etwas ganz anderes gemeint.
    Aber nein. Die Bürotür wurde erneut geöffnet und geschlossen.
    „Ich habe dich da draußen tanzen sehen“, erklang barsch eine männliche Stimme. „Du bist diese Künstlerin, oder? Alle Männer haben dich genau beobachtet. Und waren heiß auf dich.“
    Also gut, das stimmte mit Sicherheit nicht. Ich runzelte die Stirn. Alle Männer da draußen, bis auf zwei, waren schwul. Falls sie meine Mutter beobachtet hatten, dann aus Gründen ihres modischen Chics.
    „Schließ die Tür ab“, raunte meine Mutter.
    In der Dunkelheit meines Verstecks bekam ich große Augen. Du meine Güte! Ich klammerte mich noch fester an den Ärmel, krallte mich mit den Fingernägeln in das weiche Leder …
    „Du bist so schön.“ Die Stimme klang heiser … und vage vertraut.
    „Sei still und küss mich, Fremder“, befahl Mom. Es wurde still.
    Kalt vor Angst schob ich die Tür ein klitzekleines Stückchen auf und wagte einen Blick nach draußen. Und machte mir fast in die Hose.
    Meine Eltern vergnügten sich in Julians Büro.
    „Wie heißt du?“, fragte mein Vater und musterte meine Mutter mit verklärtem Blick.
    „Spielt das eine Rolle?“, entgegnete Mom. „Küss mich noch mal. Küss mich, wie eine Frau geküsst werden will!“
    Mein Erstaunen wandelte sich in Horror, als mein lieber alter Dad meine Mutter packte und lüstern küsste … oh Gott, mit Zunge! Schaudernd fuhr ich zurück und schloss die Tür, so leise ich konnte – nicht, dass das von Bedeutung gewesen wäre, denn die beiden stöhnten ziemlich laut –, und stopfte mir den Jackenärmel in den Mund, um nicht laut loszuschreien, während ich von Kopf bis Fuß eine Gänsehaut bekam. Meine Eltern. Meine Eltern machten Rollenspiele . Und ich steckte im Schrank fest!
    „Oh, ja! Mehr. Ja!“, stöhnte meine Mutter.
    „Ich will dich. Seit dem Augenblick, als du in diese schmierige Kaschemme gekommen bist, habe ich dich begehrt.“
    Ich bohrte mir die Zeigefinger in die Ohren. Lieber Gott , betete ich. Bitte mach , dass ich auf der Stelle taub werde. Bitte? Bitte, bitte! Ich hätte natürlich auch einfach die Tür öffnen und sie auffliegen lassen können. Aber dann hätte ich erst einmal erklären müssen, was ich dort machte. Warum ich mich versteckte. Warum ich mich nicht schon früher gezeigt hatte. Und dann hätte ich mir die Erklärung meiner Eltern anhören müssen, was sie dort machten.
    „Oh ja, genau da!“, gurrte meine Mutter. Das mit den Fingern funktionierte nicht, also nahm ich die Handballen. Oh Gott, ich konnte immer noch etwas hören! „Tiefer … höher …“
    „Autsch! Mein Ischias! Nicht so schnell, Nancy!“
    „Hör auf zu reden und tu es einfach, gut aussehender Fremder!“
    Oh, bitte, Gott! Ich werde auch Nonne. Ehrlich. Brauchst du keine Nonnen mehr? Mach, dass sie aufhören! Als erneut lautes Stöhnen erklang, versuchte ich, mental an einen glücklichen Ort zu entfliehen … eine Wiese voller Wildblumen, Gewehrschüsse, Kanonendonner. Konföderierte und Yankees, die starben wie die Fliegen … aber nein.
    „Oh, Baby“, hauchte meine Mutter.
    Ich konnte hier unmöglich bleiben und meinen Eltern bei … sonst was zuhören, aber gerade als ich aus dem Schrank springen und sie im Namen des Anstands aufhalten wollte, änderte meine Mutter (oder Gott) ihre Meinung.
    „Nicht hier, Fremder. Nehmen wir uns ein Zimmer.“
    Danke, gütiger Gott! Ach, und was das Nonnending betrifft … wie wäre es mit einer netten fetten Spende an Brot für die Welt?
    Ich wartete noch ein paar Minuten, versuchte, tief durchzuatmen, und riskierte dann einen Blick. Sie waren verschwunden.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und ich zuckte zurück, doch es war nur Julian.
    „Alles in Ordnung?“, rief er. „Hat sie dich gesehen? Sie ist ohne ein weiteres Wort gegangen, einfach zur Tür raus …“ Julian musterte mich genauer. „Grace, du bist ja weiß wie die Wand! Was ist passiert?“
    Ich gab einen erstickten Laut von mir. „Äh … du solltest vielleicht den Tisch verbrennen.“
    Dann wollte ich nur noch weg und nie mehr zurückkehren. Ich schlüpfte an Julian vorbei in den Tanzsaal, winkte Kiki kurz zu, die immer noch mit dem Hetero tanzte, und eilte nach Hause. Während ich zitternd im

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