Ich habe mich verträumt
gewesen waren, hatte er ein Verbrechen vertuscht. Das war eine Tatsache, die ich nicht versuchen sollte zu verheimlichen. Es war außerdem eine Tatsache, die mir nun vermutlich jede noch so geringe Chance nahm, Leiterin des Fachbereichs Geschichte zu werden. Leute mit Vorstrafenregister waren nicht gut angesehen, wenn es um die Erziehung von Kindern ging.
Ich seufzte schwer. Aber ich hatte keine andere Wahl, ich musste es sagen.
Um Punkt zwei Uhr kam Cal an die Tür. „Bist du bereit, Frau?“, rief er durch die Fliegengittertür, während Angus im Haus knurrte und herumsprang.
„Ich muss noch vier Arbeiten korrigieren. Könntest du noch eine halbe Stunde warten?“
„Nein. Nimm sie mit ins Auto, ja?“
Ich verbeugte mich. „Ja, Massa.“ Er grinste. „Wohin fahren wir?“
„Das wirst du sehen, wenn wir da sind. Wann, denkst du, wird dieser Hund mich endlich mögen?“
„Vielleicht nie.“ Ich hob Angus hoch und gab ihm einen Kuss. „Auf Wiedersehen, Angus, mein Süßer. Sei brav. Mommy liebt dich.“
„Autsch. Das war wirklich … wow! Beneidenswert“, sagte Cal. Ich knuffte ihn in die Schulter. „Bitte nicht schlagen,Grace“, meinte er lachend. „Du solltest mal deinen Hang zur Gewalt therapieren lassen. Im Gefängnis wurde ich kein einziges Mal geschlagen, aber kaum wohne ich neben dir … Sieh mich nur an! Mit Stöcken verprügelt, vom Hund gebissen, das Auto zerbeult …“
„Sei nicht so ein Weichei. Man sollte meinen, das Gefängnis hätte dich ein wenig abgehärtet und zum Mann gemacht!“
„Die Art von Gefängnis war das nicht.“ Lächelnd öffnete er die Beifahrertür. „Wir hatten Tennisstunden. Keine Messerkämpfe, da muss ich dich leider enttäuschen, mein Schatz.“
Mein Schatz . Wie schwebend glitt ich in den Truck. Mein Schatz . Callahan O’Shea hatte mich Schatz genannt.
Zehn Minuten später waren wir auf der Interstate Richtung Westen unterwegs. Ich zog eine Arbeit hervor und begann zu lesen.
„Bist du gern Lehrerin?“, wollte Callahan wissen.
„Oh ja“, antwortete ich umgehend. „Die Kinder in diesem Alter sind klasse. Natürlich könnte ich ihnen die Hälfte der Zeit den Hals umdrehen, aber die andere Hälfte liebe ich sie einfach. Und um sie geht es ja beim Unterrichten.“
„Die meisten Leute mögen Teenager aber nicht besonders, oder?“
„Na ja, es ist nicht das leichteste Alter. Kleine Kinder lieben alle, oder? Aber Teenager … bei denen zeigt sich gerade, zu welcher Persönlichkeit sie heranwachsen. Das ist toll zu beobachten. Und natürlich liebe ich das Fach, das ich unterrichte.“
„Bürgerkrieg, ja?“
„Eigentlich unterrichte ich die gesamte amerikanische Geschichte, aber ja, der Bürgerkrieg ist mein Spezialgebiet.“
„Warum magst du ihn so? Das war doch ein schrecklich brutaler Krieg, oder nicht?“
„Das stimmt“, erwiderte ich. „Aber in keinem anderen Krieg kämpften die Menschen so sehr für ihre Überzeugung. Es ist eine Sache, ein fremdes Land zu bekämpfen, mit einer fremden Kultur, mit Städten, die du möglicherweise nie gesehen hast. Aber im Sezessionskrieg … Überleg mal, was einen dazu bringt,gegen sein eigenes Land, seine eigenen Landsleute zu kämpfen, so wie Abraham Lincoln es getan hat. Der Süden kämpfte für seine Unabhängigkeit als Staatenverbund, aber der Norden kämpfte für die Zukunft der gesamten Nation. Es war ein herzzerreißender Krieg, weil er so persönlich war. Es ging um uns . Ich meine, wenn du Lincoln mit jemandem vergleichst wie …“
Ich merkte, dass ich die Stimme erhoben hatte und mich ein bisschen so anhörte wie der Fernsehprediger am Sonntagmorgen. „Entschuldige“, sagte ich und wurde rot.
Schmunzelnd drückte Callahan meine Hand. „Es gefällt mir, wie du darüber sprichst“, sagte er. „Du gefällst mir, Grace.“
„Dann geht es also um mehr als die Tatsache, dass ich die erste Frau war, die du nach dem Gefängnis geküsst hast?“
„Tja, das ist natürlich nicht zu vernachlässigen“, erklärte er ernst. „Prägung nennt man das doch, oder, Frau Lehrerin?“
Ich schlug ihm im Spaß auf den Arm. „Sehr witzig. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich muss Arbeiten korrigieren.“
„Sehr wohl, Ma’am.“
Cal fuhr ruhig weiter, unterbrach mich kein einziges Mal, sondern kommentierte nur ein paar Sätze, die ich vorlas. Zwei oder drei Mal bat er mich, die Angaben seines Navigationsgeräts zu überprüfen, was ich gerne tat. Es war eine schöne und entspannte Fahrt.
Nach etwa
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