Ich habe mich verträumt
hätte dir geglaubt.“
„Wirklich? Sagt nicht jeder Verurteilte, er sei in Wahrheit unschuldig? Dass er reingelegt wurde?“
Das war natürlich ein Argument. Ich schwieg. „Ich habe keine Möglichkeit zu beweisen, dass ich nicht genau das getan habe, wessen mein Bruder mich beschuldigte“, fügte er leise hinzu.
Ich spürte einen plötzlichen, heftigen Stich im Herzen bei der Vorstellung, wie es mir gehen würde, wenn Margaret oder Natalie mich verrieten. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Gut, Natalie hatte sich in Andrew verliebt, aber das war ja nicht ihre Schuld gewesen. Zumindest hatte ich nie so gedacht, und ich kannte meine Schwester. Aber dass der eigene Bruder dich ins Gefängnis schickt für ein Verbrechen, das er selbst begangen hat … Kein Wunder, dass Callahan nicht gern über seine Vergangenheit sprach!
„Du wolltest mir das heute also alles erzählen? Auch wenn Margs dich nicht darauf angesprochen hätte?“
„Ja.“
„Warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht schon früher, als ich dich gefragt habe?“
„Weil das gestern der Anfang von etwas war. Zumindest dachte ich das.“ Seine Stimme klang hart. „Also, das war die Geschichte. Jetzt weißt du Bescheid.“
Ein paar Minuten lang saßen wir einfach nur schweigend da. Angus, der es nicht länger aushielt, ignoriert zu werden, bellte auf und wedelte mit dem Schwanz, damit ich mich um ihn kümmerte. Ich streichelte sein weiches Fell, rückte sein Halsband zurecht und stellte fest, dass er während unserer Unterhaltung Callahans Omelett gefressen hatte.
„Cal?“, meinte ich schließlich.
„Ja?“ Er sprach fast tonlos und hatte die Schultern hochgezogen.
„Möchtest du irgendwann mal mit meiner ganzen Familie zusammen essen?“
Ein, zwei Sekunden lang blieb er wie erstarrt sitzen, dann sprang er förmlich auf mich zu. „Ja“, sagte er lächelnd.
Er schlang seine starken Arme um mich und küsste mich lange und leidenschaftlich, während Angus um uns herumsprang und ihn zwickte. Dann räumten wir die Teller weg und gingen zu Callahans Haus hinüber.
25. KAPITEL
D er nächste Tag, der letzte Montag im Mai, war Memorial Day, und da es der Gedenktag für alle im Krieg für das Vaterland Gefallenen war, musste ich nicht in aller Herrgottsfrühe aus Callahans Bett kriechen, um über ein Schlachtfeld zu robben. Stattdessen gingen wir zu Lala’s , um Brötchen und Gebäck zu kaufen, und spazierten anschließend den gewundenen Fußweg am Farmington River entlang zurück.
„Hast du heute Nachmittag schon etwas vor?“, fragte Callahan und trank einen Schluck vom mitgenommenen Kaffee.
„Was wäre, wenn?“, fragte ich zurück. Dabei zog ich heftig an Angus’ Leine, damit er sich nicht auf die arme tote Maus am Wegrand stürzte.
„Dann würdest du das absagen müssen.“ Schmunzelnd schlang er einen Arm um meine Taille.
„Ach wirklich?“
„M-hm.“ Er wischte mir einen Rest Kuchenglasur vom Kinn, dann küsste er mich.
„Also gut. Ich stehe dir voll und ganz zur Verfügung“, murmelte ich.
„Das gefällt mir“, erwiderte er und küsste mich erneut, lange, langsam und intensiv, sodass meine Knie zitterten, als er mich wieder losließ. „Ich hole dich dann um zwei Uhr ab, aber jetzt bin ich erst mal beschäftigt. Heute werden die Armaturen installiert.“
„Mit dem Haus bist du fast fertig, oder?“, erkundigte ich mich und verspürte einen plötzlichen Stich.
„Hm-hm.“
„Was passiert dann?“
„Ich habe ein anderes Haus zum Renovieren, ein paar Orte weiter nördlich. Aber wenn du willst, komme ich weiterhin her und lege mich bei diesem Haus aufs Dach, damit du mich ausspionieren kannst. Falls die neuen Besitzer nichts dagegen haben.“
„Ich habe dich nie ausspioniert. Das war mehr so ein Anschmachten.“
Er grinste, dann sah er auf die Uhr. „Also gut. Ich muss los.“ Er küsste mich ein letztes Mal, dann ging er den Weg zu seinem Haus hinauf. „Zwei Uhr – nicht vergessen!“
Ich ließ Angus an der langen Leine laufen, damit er am Farn schnüffeln konnte, und trank meinen Kaffee aus. Dann ging ich Arbeiten korrigieren.
Während ich die Aufsätze meiner Schülerinnen und Schüler durchsah, drängte sich mir ein unangenehmer Gedanke auf. Ich musste dem Personalausschuss von Callahan erzählen. Schließlich gehörte er jetzt zu meinem Leben, und ich sollte offen damit umgehen. Wie auch immer es dazu gekommen sein mochte, Callahan hatte einige Zeit im Gefängnis gesessen. Auch wenn seine Motive ehrenhaft
Weitere Kostenlose Bücher