Ich habe mich verträumt
Sie mir mal zu, Callahan O’Shea. Meine Schwester ist Anwältin. Ich kann sie bitten, sich umzuhören und Ihre schmutzige Vergangenheit aufzudecken“, was ich tatsächlich schon getan hatte, „oder Sie sagen mir einfach freiheraus, ob ich mir einen Rottweiler anschaffen muss.“
„Wie mir schien, kam Ihre kleine Ratte auch ganz gut zurecht“, murmelte er und fuhr sich mit der Hand durch das verschwitzte Haar, sodass es strubbelig abstand.
„Angus ist keine Ratte!“, protestierte ich. „Er ist ein reinrassiger West Highland Terrier. Friedlich und liebevoll.“
„Ja, friedlich und liebevoll war genau das, was ich dachte, als er neulich Nacht seine kleinen Reißzähne in meinen Arm grub.“
„Also bitte. Er hat doch nur Ihren Ärmel erwischt.“
Mr O’Shea streckte den Arm vor und zeigte mir zwei punkt förmige Wunden am Handgelenk.
„Oh nein!“, murmelte ich. „Also gut. Verklagen Sie mich, falls Sie das als Exsträfling überhaupt dürfen. Ich werde meine Schwester verständigen. Und sobald ich in der Schule ankomme, werde ich Sie im Internet auskundschaften!“
„Das sagen sie alle“, kommentierte er. Dann drehte er sich abrupt um und kehrte zu seiner Säge zurück. Ich ertappte mich dabei, wie ich auf seinen Hintern starrte. Sehr knackig. In Gedanken versetzte ich mir eine Ohrfeige und stieg ins Auto.
Auch wenn der widerspenstige Callahan O’Shea seine schmutzige Vergangenheit nicht preisgeben wollte, so fand ich doch, dass es mir zustand zu wissen, welche Art Krimineller in meinem Nachbarhaus wohnte. Sobald mein Unterricht in neuer Geschichte beendet war, suchte ich mein winziges Büro auf und durchforstete erneut das Internet. Diesmal wurde ich fündig.
Die Times-Picayune aus New Orleans hatte vor zwei Jahren folgende Meldung veröffentlicht:
Callahan O’Shea bekannte sich der Anklage wegen Veruntreuung für schuldig und wurde zu drei der geforderten fünf Jahre Haft in einer Anstalt mit geringer Sicherheitsstufe verurteilt. Tyrone Blackwell bekannte sich der Anklage wegen Diebstahls für schuldig …
Alle anderen Links betrafen wiederum die unglückselige irische Band.
Veruntreuung. Nun gut. Das war nicht so schrecklich, oder? Nicht, dass es gut war, natürlich … aber nichts Gewalttätiges oder Gruseliges. Ich fragte mich, wie viel Geld Mr O’Shea wohl veruntreut hatte. Ich fragte mich außerdem, ob er Single war.
Nein. Das Letzte, was ich brauchte, war eine wie auch immer geartete Faszination für einen ungehobelten Exsträfling. Ich suchte jemanden, der zu völliger Hingabe bereit war. Einen Vater für meine Kinder. Einen Mann mit Anstand und Moral, der extrem gut aussah und exzellent küssen konnte und sich bei gesellschaftlichen Anlässen an meiner Schule behaupten konnte. Eine Art modernen General Maximus Decimus Meridius, wenn Sie so wollen. Ich durfte keine Zeit mit Callahan O’Shea verschwenden, egal, wie schön sein Name klang oder wie gut er ohne Hemd aussah.
7. KAPITEL
S ehr gut, Mrs Slovananski, eins, zwei, drei, Pause, fünf, sechs, sieben, Pause. Jetzt haben Sie es! Gut, und nun sehen Sie noch einmal Grace und mir zu.“ Julian und ich zeigten zwei weitere Male den Salsa-Grundschritt, wozu ich mein strahlendstes Lächeln aufsetzte und den Rock wirbeln ließ. Dann drehte Julian mich nach links, wieder zurück und ließ mich halb in die Waagrechte absinken. „Ta-da!“
Die Menge klatschte in die arthritischen Hände. Es war „Oldies-Tanzabend“, das beliebteste wöchentliche Ereignis im Golden Meadows , und Julian ganz in seinem Element. Die meisten Abende war ich seine Tanzpartnerin und unterstützende Lehrerin. Außerdem lebte Mémé hier, und obwohl sie so liebevoll war wie ein Haifisch, der seine Jungen fraß, konnte ich nicht anders, als der seit Generationen gelebten puritanischen Familienpflicht zu folgen. Schließlich waren wir Nachfahren der ersten Passagiere der Mayflower! Lästige Verwandte zu ignorieren kam für uns nicht infrage – das stand nur anderen, glücklicheren Familien zu. Davon abgesehen gab es nur wenige Gelegenheiten zu tanzen, und ich liebte das Tanzen. Vor allem mit Julian, der das ganz hervorragend beherrschte.
„Haben das alle verstanden?“, fragte Julian bei den Tanzpaaren nach. „Eins, zwei, drei, Pause – andersherum, Mrs B. fünf, sechs, sieben, und nicht die Pause vergessen. Also gut, sehen wir mal, wie das mit Musik funktioniert! Grace, geh doch bitte zu Mr Creed und hilf ihm.“
Mr und Mrs Bruno drehten sich bereits
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