Ich habe mich verträumt
war Anwältin. Sie würde wissen, wie ich mich zu verhalten hatte.
„Margs, ich wohne neben einem ehemaligen Sträfling. Was soll ich tun?“
„Ich bin auf dem Weg zum Gericht, Grace. Ein ehemaliger Sträfling? Wofür hat er gesessen?“
„Das weiß ich nicht. Deshalb frage ich ja dich!“
„Also, was weißt du denn?“, fragte sie nach.
„Er war in Petersburg, Virginia. Verurteilt zu drei Jahren. Wofür kriegt man das? Nichts Schlimmes, oder? Nichts Gruseliges?“
„Das könnte alles Mögliche sein“, erwiderte Margaret munter. „Für Vergewaltigung oder Körperverletzung kann es schon mal weniger geben.“
„Ach du meine Güte!“
„Jetzt bleib mal ruhig. Petersburg, hm? Das ist ein Gefängnis mit niedriger Sicherheitsstufe, da bin ich ziemlich sicher. Hör zu, Grace, ich kann dir im Moment nicht helfen. Ruf mich später noch mal an. Such ihn im Internet. Ich muss los.“
„Richtig. Internet. Gute Idee“, sagte ich, aber sie hatte schon aufgelegt. Unter Schweißausbrüchen setzte ich mich an den Computer. Ein Blick aus dem Esszimmerfenster bestätigte mir, dass Callahan O’Shea wieder an die Arbeit gegangen war. Er hatte die verrotteten Verandastufen entfernt und einen Großteil der Dachschindeln. Ich stellte mir vor, wie er in einem orangefarbenen Overall am Straßenrand eines Highways Müll aufsammelte. Verdammt.
„Komm schon“, murmelte ich, während ich darauf wartete, dass mein Computer hochfuhr. Als sich die Suchmaschine öffnete, tippte ich „Callahan O’Shea“ ein und wartete. Bingo.
Callahan O’Shea, erster Geiger der irischen Folk-Gruppe We Miss You, Bobby Sands, erlitt minderschwere Verletzungen, als die Band am Samstag bei ihrem Auftritt in Sullivan’s Pub in Limerick mit Müll beworfen wurde .
Okay, das war offenbar nicht der Richtige. Ich scrollte nach unten. Leider hatte diese Band in letzter Zeit recht viel Presse bekommen … sie hatten für Aufruhr gesorgt, als sie Rule Britannia spielten, was ihren Zuhörern nicht besonders gefallen hatte.
In genau diesem Moment brach meine gewohnheitsmäßig unzuverlässige Internetverbindung wieder einmal zusammen. Mist.
Nach einem weiteren ängstlichen Blick zum Nachbarhaus ließ ich Angus in den Garten und ging in die Küche, um ein Mittagessen zusammenzuzaubern. Nun, da ich den ersten Schock überwunden hatte, fühlte ich mich schon etwas weniger panisch. Ich kratzte mein ganzes juristisches Wissen zusammen, das ich durch einige glückliche Stunden mit Law & Order , zwei Anwälte in der Familie und einen Exverlobten derselben Profession erworben hatte, und tröstete mich damit, dass drei Jahre in einem Gefängnis minimaler Sicherheitsstufe bestimmt fürnichts allzu Schreckliches verhängt worden waren. Und wenn der muskulöse Mann nebenan dennoch etwas allzu Entsetzliches getan haben sollte … nun, dann würde ich eben umziehen.
Ich schlang mein Essen hinunter, rief Angus ins Haus, erinnerte ihn daran, dass er der beste Hund des Universums war, und mahnte, er solle den kräftigen Exknacki von nebenan nicht weiter beachten. Dann schnappte ich mir die Wagenschlüssel und verließ das Haus.
Während ich zum Wagen ging, hämmerte Callahan O’Shea auf seiner Veranda herum. Sonderlich Angst einflößend sah er nicht gerade aus. Eher umwerfend. Was nicht bedeutete, dass er nicht gefährlich war, aber trotzdem. Minimale Sicherheitsstufe, das war immerhin beruhigend. Und hey. Dies war mein Haus, meine Nachbarschaft – ich würde mich nicht einschüchtern lassen! Entschlossen straffte ich die Schultern. „Raus mit der Sprache, Mr O’Shea, wofür haben Sie gesessen?“, rief ich zu ihm hinüber.
Mein Nachbar richtete sich auf, sah mich an und sprang so behände von der Veranda, dass ich doch ein wenig erschrak. Er bewegte sich geschmeidig wie ein … Raubtier. Am Zaun, der unsere Grundstücke trennte, verschränkte er erneut die Arme. Oh. Schluss jetzt, Grace .
„Was meinen Sie denn, wofür ich gesessen habe?“, fragte er zurück.
„Mord?“, schlug ich vor. Warum nicht gleich mit der größten Angst anfangen?
„Also bitte. Sehen Sie denn kein Law & Order ?“
„Tätlicher Angriff und Körperverletzung?“
„Nein.“
„Identitätsdiebstahl?“ „Wärmer.“
„Ich muss wieder zur Arbeit“, fuhr ich ihn an. Er hob eine Augenbraue und schwieg. „Sie haben ein Loch im Keller ausgehoben und eine Frau darin angekettet.“
„Bingo. Jetzt haben Sie’s. Drei Jahre für das Anketten einer Frau.“
„Jetzt hören
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