Ich habe mich verträumt
brummte ich.
„Und im Recht.“ Er drehte mich elegant aus und wieder ein. „Pass auf, Süße, du wärst mir fast auf den Fuß getreten.“
„Also, um ehrlich zu sein, habe ich in einer halben Stunde eine Verabredung. Siehst du. Ich bin dir in unserem ‚Such den Richtigen‘-Spiel also weit voraus.“
„Oh, schön für dich. Und einen tollen Rock hast du auch an. Und jetzt … zwei, drei, vier, drehen, gleiten, ta-da!“
Unser Tanz war zu Ende, und das hingerissene Publikum applaudierte. „Grace, die Grazie!“, rief Dolores Barinski, eine meiner Lieblingsdamen. „Wie immer werden Sie Ihrem Namen mehr als gerecht!“
„Ach was“, wehrte ich ab, genoss das Kompliment aber trotzdem. Die alten Herrschaften, männlich wie weiblich, fanden mich anbetungswürdig, bewunderten meine straffe Haut und biegsamen Gelenke. Natürlich war es der Höhepunkt meiner Woche! Und es war so romantisch! Jeder hier hatte eine Vergangenheit, irgendeine romantische Geschichte, wie er oder sie den Partner fürs Leben kennengelernt hatte. Keiner hatte ins Internet gehen und Fragebögen ausfüllen müssen, ob man Sikh sei und nach einem Katholiken suche oder ob man Piercings attraktiv fand oder nicht. Niemand hier hatte einen Kurs belegen müssen, um zu lernen, wie man einen Mann auf sich aufmerksam machte.
Allerdings hatte ich nun tatsächlich eine Verabredung über das Internet ergattert. Auf eCommitment hatte Dave, ein Ingenieur aus Hartford, den Wunsch geäußert, mich zu treffen. Von seinem recht konservativen und zudem überfälligen Haarschnitt einmal abgesehen, hatte er auf seinem Foto recht ansprechend gewirkt. Ich hatte zurückgeschrieben, ich würde mich liebend gern auf einen Kaffee mit ihm treffen, woraufhin Dave einen Termin vorschlug. Wer hätte gedacht, dass es so einfach war, und warum hatte ich so lange damit gewartet?
Ja, während ich zerknitterte Wangen tätschelte und mir von weichen, faltigen Händen auf die Schultern klopfen ließ, spürte ich Hoffnung in mir aufkeimen. Dave und Grace. Gracie undDave. Schon heute könnte ich den einen, den Richtigen kennenlernen. Ich würde ins Rex Java’s gehen, unsere Blicke würden sich treffen, er würde seinen Kaffee verschütten, während er aufstände, um mich aufgeregt und, so wage ich zu behaupten, vollkommen fasziniert zu begrüßen. Ein Blick, und wir würden es wissen. Nach sechs Monaten würden wir die Hochzeit planen. Er würde samstagmorgens Frühstück machen, wir würden lange Spaziergänge unternehmen, und wenn ich ihm eines Tages verriete, dass ich schwanger sei, würde er dankbare Tränen weinen. Nicht, dass ich den Dingen vorausgriff oder so.
Mémé war schon weg, als die Tanzstunde endete, also musste ich nicht die übliche Kritik meiner Technik, Frisur oder Wahl der Kleidung erdulden. Ich verabschiedete mich von Julian. „Ich ruf dich noch an und gebe dir die Daten für diesen Kurs durch“, sagte er nach einem Kuss auf die Wange.
„Einverstanden. Wir wollen ja nichts unversucht lassen.“
„So ist’s richtig!“, Er zwinkerte mir zu, schwang seine Tasche über die Schulter und winkte zum Abschied.
Da mein Haar sich leider schon wieder etwas zerzaust anfühlte, ging ich kurz in den Waschraum, um es vor meinem Treffen mit Dave noch mit Wunderbändiger/Lockenverstärker/Weihwasser zu zähmen. „Hallo Dave, ich bin Grace“, übte ich vor dem Spiegel. „Nein, nein, das sind Naturlocken. Ach, Sie lieben lockiges Haar? Oh, danke, Dave!“
Als ich aus dem Waschraum kam, sah ich jemanden am Ende des Ganges, der sich von mir entfernte. Er bog links in den medizinischen Trakt ein – Callahan O’Shea! Was machte der denn hier? Und warum wurde ich rot wie ein Teenager, der gerade beim Rauchen erwischt worden war? Und warum starrte ich ihm immer noch nach, wo ich doch eine Verabredung hatte, eine richtig echte Verabredung, hm? Mit diesen verwirrenden Gedanken hastete ich zu meinem Auto.
Das Rex Java’s war etwa halb voll, hauptsächlich mit Schülern der Highschool, allerdings war niemand von der Manning da, die ja in Farmington lag. Verstohlen sah ich mich um.Dave schien noch nicht hier zu sein … In einer Ecke saß ein Pärchen in den Vierzigern, Händchen haltend und lachend. Der Mann schnappte sich ein Stück Kuchen von der Frau, und sie schlug ihm in gespielter Entrüstung auf die Hand und schmunzelte. Angeber, dachte ich lächelnd. Die ganze Welt konnte sehen, wie glücklich sie waren. Auf der anderen Seite an der Wand saß ein
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