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Ich habe mich verträumt

Ich habe mich verträumt

Titel: Ich habe mich verträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristan Higgins
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auf der Tanzfläche. Wegen ihrer Osteoporose und den künstlichen Gelenken konnten sie nicht so viel Leidenschaft in ihre Bewegungen legen, wie es die Salsa normalerweise erforderte, aber das machten sie durch ihr Mienenspiel locker wieder wett … sie strahlten nur so vor Liebe, Freude, Glück und Dankbarkeit. Es war so rührend, dass ich mich verzählte und Mr Creed zum Stolpern brachte.
    „Entschuldigung“, sagte ich und packte ihn ein wenig fester. „Mein Fehler.“ Mémé schnalzte von ihrem Rollstuhl aus abfälligmit der Zunge. Wie viele der Bewohner kam auch sie jede Woche in den Saal, um die Tänzer zu beobachten. Kurz darauf klatschte Mrs Slovananski mich ab – wie man munkelte, hatte sie schon seit einiger Zeit ein Auge auf Mr Creed geworfen –, und ich gesellte mich zu den Zuschauern. Neben uns senkte Julian äußerst vorsichtig Helen Pzorkan in die Waagrechte, um ihre schwache Blase nicht zu belasten.
    „Hallo Mr Donnelly. Hätten Sie nicht Lust auf eine Runde Salsa?“, fragte ich einen Mann, der immer zusah und sich zur Musik wiegte, anscheinend aber ein wenig zu schüchtern oder zu steif war, um sich auf die Tanzfläche zu wagen.
    „Ach, ich würde ja gern, Grace, aber mein Knie ist nicht mehr das, was es mal war“, antwortete er. „Außerdem bin ich kein guter Tänzer. Ich habe nur eine gute Figur gemacht, wenn meine Frau mit mir getanzt und mich geführt hat.“
    „Ich bin sicher, das stimmt nicht“, erwiderte ich und tätschelte seinen Arm.
    „Tja“, meinte er nur und sah zu Boden.
    „Wie haben Sie Ihre Frau denn kennengelernt?“, fragte ich nach.
    „Oh!“ Lächelnd ließ er den Blick in die Ferne schweifen. „Sie wohnte bei uns nebenan. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich sie nicht geliebt habe. Ich war zwölf, als ihre Familie dort einzog. Zwölf Jahre alt, und trotzdem machte ich den anderen Jungs sofort klar, dass sie mit mir zur Schule gehen würde.“
    Er klang so wehmütig, dass ich einen Kloß im Hals bekam. „Was für ein Glück, dass Sie sich so früh schon kennengelernt haben“, murmelte ich.
    „Ja. Wir waren wirklich glücklich“, sagte er und lächelte bei der Erinnerung erneut. „Sehr glücklich.“
    Bestimmt klingt es sehr nobel und selbstlos, wenn ich sage, dass ich alten Leuten Tanzen beibringe, aber tatsächlich war dies nicht selten der schönste Abend meiner Woche. Die meisten Abende verbrachte ich zu Hause, korrigierte Arbeiten und entwarf neue Testaufgaben. Montags jedoch zog ich einen bunten,weit ausgestellten Rock an (häufig sogar mit Pailletten) und ging los, um Ballkönigin zu spielen. Oft kam ich schon früher, um den alten Leuten noch etwas vorzulesen, wobei ich mich dann besonders nobel und gut fühlte.
    „Gracie“, rief Julian und winkte mich zu sich. Ich sah auf die Uhr – es war bereits neun und für viele der Bewohner Schlafenszeit. Julian und ich beendeten unsere Tanzstunden immer mit einer kleinen Show-Einlage, einem Tanz, bei dem wir uns noch einmal richtig ins Zeug legten.
    „Was tanzen wir heute?“, wollte ich wissen.
    „Ich dachte an einen Foxtrott“, antwortete er, wechselte die CD, ging zur Mitte der Tanzfläche und streckte dramatisch den Arm nach mir aus. Ich ging hüftschwingend zu ihm, streckte ebenfalls meine Hand aus, und er ergriff sie mit souveräner Miene. Wir drehten gleichzeitig die Köpfe zum Publikum und warteten auf die Musik. Ah. Die Drifters mit There Goes My Baby . Während wir lang-lang-kurz-kurz über die Tanzfläche glitten, sah Julian mir in die Augen. „Ich habe uns für einen Kurs angemeldet.“
    Ich neigte den Kopf, als wir die Richtung wechselten, um Mr Carlsons Gehhilfe auszuweichen. „Was für einen Kurs?“
    „‚Finde den Richtigen‘ oder so ähnlich. Mit Geld-zurück-Garantie. Du schuldest mir sechzig Kröten. Nur ein Abend, zwei Stunden Seminar, und reg dich jetzt nicht auf, okay? Das ist eine Art Motivationskurs.“
    „Du meinst es anscheinend ernst, wie?“
    „Sei still. Wir müssen Leute kennenlernen. Bislang hast du nur einen erfundenen Freund. Wie wäre es mit jemandem, der auch mal die Essensrechnung übernehmen kann?“
    „Na schön. Es klingt nur so … dumm.“
    „Und das mit dem falschen Freund ist schlau?“ Ich schwieg.
    „Wir sind beide dumm, Grace, zumindest, wenn es um Männer geht. Sonst würden wir nicht als Höhepunkte unserer Woche gemeinsam die drei verschiedenen Tanz- und Casting-Shows im Fernsehen anschauen, oder?“
    „Na, da ist aber einer geladen“,

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