Ich habe mich verträumt
immer fröhlich neben mir hergelaufen war. Er liebte es, seine kleine rosa Zunge in den Fluss zu tauchen, ohne Rücksicht darauf, dass sein weißes Fell mit Schlamm bespritzt wurde.
Das Wochenende um den vierten Juli hatte ich mit einigen Tausend anderen Bürgerkriegsnachstellern in Gettysburg verbracht – dem echten Gettysburg in Pennsylvania – und im Schlachtengetümmel für ein paar Tage den Schmerz vergessen. Als ich zurückkam, ließ Julian mich in seiner Tanzschule Standardtänze unterrichten. Mom und Dad luden mich oft zu sich ein, aber aus Angst, mich zu verschrecken, gingen sie furchtbar höflich miteinander um und waren so verkrampft, dass ich mir wünschte, sie würden sich wieder normal benehmen und miteinander streiten. Margaret fuhr mit mir die Küste von Maine hinauf, und wir landeten so weit nördlich, dass die Sonne erst abends um zehn Uhr unterging. Dort am Meer verbrachten wir ein paar ruhige Tage, unternahmen Strandspaziergänge und beobachteten die Hummerboote beim Auf- und Abtanzen auf den Wellen, ohne über Andrew zu reden.
Gott sei Dank hatte ich das Haus. Böden mussten geschliffen, Paneele gestrichen und Ausverkäufe besucht werden, damit ich mein Zuhause mit hübschen Dingen füllen konnte, die keine Verbindung zu Andrew hatten. Eine Sammlung Nikoläuse, die ich zu Weihnachten auf dem Kaminsims aufstellen würde. Zwei Türknäufe aus Messing, in die Public School, City of New York eingraviert war. Ich nähte Vorhänge. Strich Wände. Brachte Lampen an. Ich hatte sogar ein oder zwei Verabredungen. Also gut, ich ging ein Mal aus. Das reichte, um zu merken, dass ich für jemand Neues noch nicht bereit war.
Dann begann die Schule wieder, und noch nie hatte ich mich so sehr auf meine Schüler gefreut. Sie mochten ihre Marotten haben, verzogen sein und nervtötende Floskeln wie „und so“, „total“ und „irgendwie“ gebrauchen, aber sie waren trotzdem faszinierende Persönlichkeiten, zeigten Potenzial und wiesen einen Weg in die Zukunft. Wie immer ging ich voll und ganz in meiner Arbeit auf und hielt Ausschau nach den ein oder zwei unter ihnen, die sich von der Geschichte begeistern ließen und ihre Bedeutung für die Gegenwart so spürten, wie ich es schon als Kind gespürt hatte.
Weihnachten kam und ging vorüber, ebenso der Jahreswechsel. Am Valentinstag kam Julian mit einem Stapel Horrorfilmen, Essen vom Thailänder und Eiscreme, und wir lachten, bis wir Bauchweh bekamen, und verdrängten erfolgreich die Tatsache, dass dies mein erster Hochzeitstag hätte sein sollen und dass Julian seit acht Jahren keine Verabredung mehr gehabt hatte.
Und mein gebrochenes Herz heilte. Unglaublich, aber wahr. Die Zeit erledigte ihre Aufgabe, und Andrew verblasste zu einem dumpfen Schmerz, den ich nur noch hin und wieder empfand, wenn ich abends allein im Bett lag. War ich über ihn hinweg? Ich dachte, ja.
Dann, wenige Wochen vor Haarabschneiderin Kittys Hochzeit, gingen Natalie und ich essen. Ich hatte ihr nie den wahren Grund für unsere Trennung verraten. Tatsächlich hatte Andrew es auch niemals laut ausgesprochen. Das war nicht nötig gewesen.
Natalie suchte das Lokal aus. Sie arbeitete gerade bei Pelli Clarke Pelli in New Haven, einem der besten Architekturbüros des Landes. Sie musste Überstunden machen und schlug das Omni Hotel vor, das ein exzellentes Restaurant mit schönem Ausblick und guten Cocktails hatte.
Als ich sie sah, war ich über ihr verändertes Aussehen beinahe schockiert. Irgendwann hatte meine kleine Schwester sich von hübsch zu atemberaubend schön entwickelt. Wenn ich sie an der Uni besucht oder zu Hause gesehen hatte, hatte sie immer Jeans oder Jogginghosen getragen, typische Studentenkleidung eben, und ihr langes, glattes, blondes Haar war auf eine Länge geschnitten gewesen. Sie hatte wie ein typisches amerikanisches Mädchen ausgesehen, hübsch und frisch. Doch als sie anfing zu arbeiten, legte sie sich neue Kleidung und einen neuen Haarschnitt zu, begann, sich zu schminken und – wow! Sie sah aus wie eine moderne Grace Kelly.
„Hallo Bumppo!“, sagte ich und umarmte sie stolz. „Du siehst umwerfend aus!“
„Du auch“, erwiderte sie großzügig. „Jedes Mal, wenn ich dich sehe, denke ich, dass ich für diese Haare meine Seele verkaufen würde!“
„Diese Haare sind des Teufels. Sei nicht albern“, erwiderte ich, war aber trotzdem gerührt. Natalie, der Engel, meinte es wirklich ehrlich.
Ich bestellte mein Standardgetränk, einen gewöhnlichen Gin
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