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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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bist mir näher als meine eigene Tochter. Meine eigene Tochter würde mir nie sagen, daß ich ein alter Kotzbrocken bin, sie hält mich einfach nur für einen Kotzbrocken, basta!«
    Er war aufgestanden, um den Salzstreuer zu holen.
    »Aber – was hast du denn?«
    »Nichts. Ich habe nichts.«
    »Aber ja doch, du heulst.«
    »Nicht doch, ich heule nicht. Sieh nur, ich heule nicht.«
    »Doch, du heulst! Möchtest du ein Glas Wasser?«
    »Ja.«
    »Ach, Chloé – ich will nicht, daß du heulst. Das macht mich unglücklich.«
    »Da haben wir’s. Schon wieder du. Du bist unverbesserlich.«
    Ich versuchte, einen scherzhaften Ton anzuschlagen, aber der Rotz tropfte mir aus der Nase, ich bot einen mitleiderregenden Anblick.
    Ich lachte. Ich heulte. Dieser Wein erheiterte mich mitnichten.
    »Ich hätte dir das alles nicht erzählen sollen.«
    »Doch, doch. Es sind ja auch meine Erinnerungen. Ich muß mich nur ein wenig daran gewöhnen. Ich weiß nicht, ob du dir das wirklich vorstellen kannst, aber für mich ist die Situation ganz neu. Vor zwei Wochen war ich noch eine wohlsituierte Hausfrau und Mutter. Ich blätterte in der Metro in meinem Terminkalender, um Essenseinladungen zu planen, feilte mir die Fingernägel und dachte dabei an die Ferien. Überlegte: ›Nehmen wir die Mädchen mit, oder fahren wir zu zweit weg?‹ Na ja, du siehst schon, die Art von Problemen …
    Dachte auch: ›Wir sollten uns eine neue Wohnung suchen, unsere jetzige ist zwar ganz nett, aber zu dunkel…‹ Ich wollte warten, bis es Adrien wieder besser ging, um mit ihm darüber zu reden, denn ich konnte deutlich sehen, daß er in letzter Zeit nicht ganz auf dem Damm war – reizbar, empfindlich, müde. Ich machte mir Sorgen um ihn, dachte: ›Sie werden ihn mir in dieser Firma noch zugrunde richten, mit diesen bescheuerten Arbeitszeiten.‹«
    Er hatte sich dem Feuer zugewandt.
    »Wohlsituiert, aber nicht sehr helle, was? Ich habe mit dem Essen auf ihn gewartet. Habe stundenlang gewartet. Oft bin ich beim Warten sogar eingeschlafen. Irgendwann kam er dann nach Hause, sah mitgenommen aus, ausgepowert. Ich räkelte mich und schleppte mich in die Küche. Ich machte mich eifrig zu schaffen. Er hatte keinen Hunger, natürlich nicht, er hatte wenigstens den Anstand, keinen Appetit mehr zu haben. Vielleicht hatten sie aber auch schon zusammen gegessen? Vielleicht …
    Wieviel Überwindung es ihn gekostet haben mußte, sich mir gegenüber zu setzen! Wie unerträglich ich gewesen sein muß mit meiner üblichen Fröhlichkeit und meinen Fortsetzungsromanen über die Ecke am Square Firmin-Gédon. Welche Qualen für ihn, wenn ich nur daran denke … Lucie hat einen Zahn verloren, meiner Mutter geht es nicht gut, das polnische Au-pair-Mädchen des kleinen Arthur geht jetzt mit dem Sohn von der Nachbarin, ich habe heute morgen meinen Marmor fertiggestellt, Marion hat sich die Haare geschnitten, es sieht schrecklich aus, die Lehrerin sammelt Eierkartons, du siehst müde aus, nimm dir einen Tag frei, gib mir die Hand, willst du noch Spinat? Der Arme – welche Qualen für einen untreuen, aber gewissenhaften Mann. Welche Qualen … Aber ich merkte nichts. Ich habe nichts kommen sehen, verstehst du? Wie kann man so blind sein? Wie? Entweder war ich völlig verblödet oder ich habe ihm völlig vertraut. Was letztendlich aufs gleiche hinausläuft.«
    Ich ließ mich auf dem Stuhl zurückfallen.
    »Ach, Pierre – was ist das Leben für ein Schlamassel…«
    »Er ist gut, oder?«
    »Sehr. Schade, daß er nicht hält, was sein Name verspricht.«
    »Ich trinke ihn zum ersten Mal.«
    »Ich auch.«
    »Wie dein Rosenbusch, den ich auch nur des Namens wegen gekauft habe.«
    »Ja. Ein Schlamassel – der reinste Schwachsinn.«
    »Aber du bist noch jung.«
    »Nein, ich bin alt, ich fühle mich alt. Ich bin völlig ramponiert. Ich merke, daß ich jetzt mißtrauisch werde. Ich werde mein Leben durch den Spion betrachten. Ich werde die Tür nicht mehr aufmachen. Treten Sie ein paar Schritte zurück. Zeigen Sie mir Ihre weiße Pfote. So ist es gut, jetzt die andere. Ziehen Sie die Filzschlappen an. Bleiben Sie im Eingang stehen. Rühren Sie sich nicht vom Fleck.«
    »Nein, so wirst du nie werden. Auch wenn du es noch so sehr wolltest, du könntest es nicht. Die Leute werden auch weiterhin in dein Leben poltern, du wirst wieder Leid erfahren, und das ist auch gut so. Ich mache mir um dich keine Sorgen.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Wieso natürlich nicht?«
    »Du machst dir um

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