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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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eines kleinen Mädchens:
    »Aber warum hatte der Teufel die Großmutter von Madame Pécaut gefangen?«
    »Errätst du es nicht?«
    »Nein.«
    »Na, weil er ein Leckermaul ist!«
    Sie schlug mit dem Stock auf den Farn, um den Dämon zu vertreiben.
    Und ich, auf was könnte ich einschlagen?
    *
    »Chloé?«
    »Ja.«
    »Ich wollte dir noch sagen – ich hoffe – na ja, es würde mich freuen – ja, genau, es würde mich freuen … Es würde mich freuen, wenn du in dieses Haus zurückkehren würdest, weil ich weiß, daß du es liebst. Du hast hier so viel Arbeit reingesteckt. In die Zimmer. In den Garten. Vor dir gab es hier keinen Garten, weißt du? Versprich mir, daß du hierher zurückkehren wirst. Mit den Mädchen oder allein.«
    Ich sah ihn an.
    »Nein, Pierre. Du weißt genau, daß die Antwort nein ist.«
    »Und dein Rosenstrauch? Wie hieß er noch? Der Rosenstrauch, den du letztes Jahr gepflanzt hast …«
    »Cuisse de nymphe émue.«
    »Ja, genau. Du hast ihn so gemocht …«
    »Nein, mir hat nur der Name so gut gefallen. Weißt du, es ist so schon schwer genug …«
    »Entschuldige bitte.«
    »Aber du? Du wirst dich um ihn kümmern, oder?«
    »Natürlich! Cuisse de nymphe émue, und ob – wie sollte ich anders können?«
    Er gab sich alle Mühe.
    Auf dem Rückweg begegneten wir dem alten Marcel, der aus dem Dorf kam. Sein Fahrrad fuhr gefährlich Schlangenlinie. Wie durch ein Wunder brachte er sein Stahlroß direkt vor uns zum Stehen, ohne hinzufallen. Er setzte Lucie auf seinen Sattel und lud uns zu einem abendlichen Glas Wein ein.
    Madame Marcel küßte die Mädchen von Kopf bis Fuß und setzte sie dann mit einem Päckchen Bonbons auf dem Schoß vor den Fernseher. »Sie hat eine Satellitenschüssel, Mama! Kannst du dir das vorstellen? Einen ganzen Kanal nur mit Zeichentrickfilmen!«
    Halleluja.
    Man geht bis ans Ende der Welt, kämpft sich durchs Unterholz, durch Hecken und Gräben, hält sich die Nase zu, überquert den Hof des alten Marcel, nur um sodann zu sehen, wie die Teletubbies Tubbietoast machen!
    Manchmal ist das Leben einfach herrlich.
    Der Sturm, der Rinderwahnsinn, Europa, die Jagd, die Toten und die Sterbenden … Zwischendurch fragte Pierre:
    »Sagen Sie mal, Marcel, können Sie sich an meinen Bruder erinnern?«
    »An wen? An Paul? Und ob ich mich an diesen kleinen Schlingel erinnern kann. Hat mich verrückt gemacht mit seinen vielen Pfeifchen. Hat mich bei der Jagd an der Nase herumgeführt! Ich habe geglaubt, Vögel zu hören, die es bei uns gar nicht gibt! So ein Bengel! Und die Hunde, die wurden davon völlig gaga! Und ob ich mich erinnere! War ein guter Junge. War oft mit dem Vater im Wald. Wollte alles wissen, alles erklärt haben. Oh oh, hat der Fragen gestellt! Hat gesagt, er wollte studieren, um im Wald zu arbeiten. Weiß noch, daß der Vater geantwortet hat, aber dazu brauchst du doch nicht studieren, Bub! Was können dir die Gelehrten denn anderes beibringen als ich? Hat nicht geantwortet, hat gesagt, er will alle Wälder der Welt sehen, will herumkommen, will in Afrika und Rußland spazierengehen, und dann wird er hierher zurückkommen und uns alles erzählen.«
    Pierre hörte ihm zu und schüttelte leise den Kopf, um ihn zum Weiterreden zu ermuntern.
    Marcels Frau war aufgestanden. Sie kam zurück und hielt uns ein Heft mit Zeichnungen hin.
    »Das hier hat mir der kleine Paul, na ja, ich sage der kleine Paul, so klein war er damals gar nicht mehr, einmal geschenkt, um sich für meine Honigkrapfen zu bedanken. Das hier war mein Hund.«
    Auf jeder Seite konnten wir die Possen eines kleinen Foxterriers bewundern, der, wie man unschwer erraten konnte, nach Strich und Faden verwöhnt war und mehr Schauspieler als Hund.
    »Wie hieß er?« fragte ich.
    »Er hatte keinen Namen, wir nannten ihn einfach nur ›Wo isser?‹, weil er ständig abhaute. Daran ist er dann auch gestorben. Ach! Was hatten wir ihn lieb, den kleinen Schatz! Was hatten wir ihn lieb! Viel zu lieb, viel zu lieb … Es ist das erste Mal seit langem, daß ich mir die Zeichnungen anschaue. Sonst sehe ich sie mir lieber nicht an, sind mir zu viele Tote auf einmal …«
    Die Zeichnungen waren wunderschön. »Wo isser?« war ein brauner Foxterrier mit langen schwarzen Barthaaren und buschigen Brauen.
    »Ist angeschossen worden. Hat den Wilderern ins Handwerk gepfuscht, der Dummkopf …«
    Ich stand auf, wir mußten gehen, bevor die Nacht völlig über uns hereinbrach.
    *
    »Mein Bruder ist am Regen gestorben. Sie hatten ihn

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