Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
erscheint mir alles nur hoffnungslos. Der arme Marcus! Eine kleine freundliche Geste dermaßen falsch auszulegen, eine Privatperson so in der Presse auszuschlachten!
»Dafür gibt es eine vollkommen harmlose Erklärung, und ich weiß, dass Sie das auch wissen.«
O’Shea faltet die Zeitung zusammen und legt sie weg. »Das Problem ist, dass an dieser Geschichte angeblich so vieles ganz harmlos ist. Aber da sind auch der Schal und das Messer aus dem Kanal, also! Aus meiner Warte ist das völlig klar: Entweder waren Sie es, oder er war es, oder Sie waren es beide.«
»Von dem Kanal wissen alle! Forwood hat das Boot eine Zeitlang als Büro genutzt, viele aus der Firma wissen, wie man da hinkommt! Das war Ihnen nicht klar, oder?« Es erfüllt mich mit bitterer Genugtuung, dass O’Shea und Samuels jetzt Blicke wechseln. »Sie hatten da die Buchhaltung untergebracht. Das war, bevor sie die neuen Räume bezogen haben, damals litten sie unter massivem Platzmangel. Jeder kann das Messer da ins Wasser geworfen haben!«
»Sie klammern sich an Strohhalme.«
»Natürlich tue ich das! Weil die Unschuldigen nie wissen, wie es war. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es war, aber ich weiß, dass ich sie nicht umgebracht habe! Von jetzt an sage ich gar nichts mehr.« Nach einer halben Stunde vergeblicher Versuche, mich zum Reden zu bringen, zum Gestehen oder wenigstens Einknicken, führen sie mich schließlich in eine Zelle, in der ich drei Stunden lang mit anhöre, wie nebenan ein Betrunkener schimpft, flucht, mit Kraftausdrücken um sich wirft und singt.
Weitere zwei Stunden später – der Betrunkene hat sich so verausgabt, dass er irgendwann einfach umgekippt ist – kommt Theo herein.
»Ich bringe Neuigkeiten. Sie werden Sie gehen lassen.«
»Wie …«
»Sie hat wirklich Mumm, diese DI«, sagt er kopfschüttelnd. »Mit der Entscheidung macht sie sich nicht beliebt. Es könnte sein, dass sie Sie überwachen, Ihre nächsten Schritte beobachten.«
»Ich dachte, die Beweislast wäre so groß?«
»Sie können Ihren Mann als Täter nicht hundertprozentig ausschließen. Sein Alibi ist so, dass er immer noch genug Zeit gehabt hätte, sie umzubringen. Es wäre knapp gewesen, aber nicht unmöglich.«
»Ich müsste wahrscheinlich froh sein. Aber das heißt ja auch, wenn ich aus der Sache raus bin, muss er drin sein. Das ist keine wirklich schöne Alternative.«
Statt einer Antwort kratzt Theo sich die Wange.
37
E in Polizist in Uniform schließt die Tür zum Zellentrakt auf, und ich folge ihm durch den Empfangsbereich der Wache, wo ein älteres Paar sitzt und wartet. Bevor ich aus der Tür gehe, zögere ich kurz, aber Theo versichert, dass die Presse nicht weiß, auf welcher Wache ich festgehalten worden bin. Wir treten ins Freie und kneifen in der Spätnachmittagssonne unwillkürlich die Augen zu. Kein Mensch beachtet uns. Theo gibt mir seine Karte. Er würde mich gern vor Gericht vertreten. Ich weiß, er geht davon aus, dass es so kommen wird, wenn ich mich nicht aufraffe und etwas finde, das mich entscheidend entlastet.
Ich muss mit Lex reden. Er war an dem Abend mit in der Bar. Er hat sich mit Melody getroffen, kurz bevor sie ermordet wurde. Neulich wollte er unbedingt mit mir sprechen – jetzt ist er untergetaucht, und ich werde rauskriegen, warum. Ich rufe an, habe aber sofort die Mailbox dran. Als Nächstes rufe ich bei Sarah an und spreche kurz mit Josh und Ava, wobei ich mir das Weinen verkneifen muss. Dann kommt Sarah noch einmal ans Telefon und muntert mich auf; die Kinder seien gut drauf, sagt sie. Vorerst verbiete ich mir jeden weiteren Gedanken an sie; vielmehr halte ich ein Taxi an und konzentriere mich auf Lex. Ich werde verdammt noch mal vor der Tür stehen und warten, bis er nach Hause kommt; irgendwann kommen sie alle nach Hause.
Nach zwei Stunden bin ich durchgefroren und langweile mich. Paul teilt mir per SMS mit, dass er die Kinder bei Sarah abgeholt hat. Er drängt mich, nach Hause zu kommen, aber ich will vorher noch ein paar Dinge wissen.
Ich drücke mit eisiger Hand gegen das modisch gemaserte Holz der Lofttür. Drei schwere Schlösser der Spitzenklasse verwehren mir den Zutritt. Was ich will, ist da reingehen und Hinweise finden, Geheimnisse aufdecken, aber direkt reingehen kann ich nicht. Immerhin kommt mir eine Idee.
Es ist kurz nach halb acht, als ich beim Forwood-Büro eintreffe. Nachdem ich ein paar Mal geklingelt habe, erscheint an der inneren Tür die Gestalt einer jungen Frau im Outfit
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