Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
der Reinigungsfirma. »Ist Rosa da? Rosa, die hier sauber macht?« Sie versteht das entscheidende Wort und schließt die Tür auf. Ganz wie ich es vermutet habe, ist keiner mehr da. Selten ist hier nach neunzehn Uhr noch jemand. An prall gefüllten Müllsäcken vorbei gehe ich auf eine füllige Frau zu, die Gummihandschuhe anhat und einen Staubsauger hinter sich herzieht. »Rosa!«
Sie dreht sich um, schaltet das Gerät aus und wischt sich mechanisch die Hände an der karierten Einheitskittelschürze ab. Einen kleinen Moment dauert es, bis sie mich erkennt. »Ah, Mrs. Forman, geht gut?« Sie lächelt mit ihren etwas schiefen Zähnen, und ich lächle zurück. Gott sei Dank, sie weiß es nicht. Abend für Abend krempelt sie hier alles um, leert die Papierkörbe, klaubt die Zettel auf, die auf den Schreibtischen der Forwood-Angestellten und dem Boden verstreut liegen, aber sie wirft nie einen Blick darauf, schaut sich nie Nachrichten an. Sie kriegt nichts von alldem mit. Kaum einer der Mitarbeiter richtet jemals das Wort an sie, die meisten würden sie wahrscheinlich nicht mal erkennen, für sie ist sie einfach eine aus dem Heer von Hilfskräften, die hier auf der Umlaufbahn kreisen und jene unterstützen, die wichtig genug waren, um ins Zentrum des Geschehens vorzudringen. Sie hat keine Ahnung von dem Tornado von einem Skandal, der hier gerade durchfegt; sie weiß nicht, dass mein Ruf neuerdings zweifelhaft ist und sie mich lieber meiden sollte. »Kinder gut?«
Ich lege ihr die Hand auf die Schulter und nicke. Dann hole ich meine Brieftasche hervor. »Hier habe ich ein neues Bild, schauen Sie.« Das Foto ist zwei Monate alt; es zeigt eine perfekte, entspannte, liebevolle Familie. Rosa strahlt. »Wunderschön! Sie sehr glücklich!«
»Ich brauche etwas, und das ist sehr wichtig, Rosa.« Ich spreche betont langsam, denn ihr Englisch ist nicht besonders. Sie nickt mit ernster Miene. »Haben Sie Schlüssel für die Wohnung von Lex?« Jetzt runzelt sie die Stirn. »Haben Sie Schlüssel für seine Wohnung?« Ich tue so, als würde ich einen Schlüssel im Schloss drehen.
»Ja, Mrs. Forman, ich putze bei ihm.«
Ich nicke enthusiastisch. John hat mir einmal erzählt, dass Lex so viel wie möglich über die Firma laufen lässt, um sein zu versteuerndes Einkommen zu verringern – sogar das Putzen seiner Privatwohnung. Guter alter John.
»Ich weiß. Könnten Sie mir die Schlüssel geben? Er hat morgen Geburtstag. Wir wollen eine Überraschungsparty veranstalten, bei ihm zu Hause.« Rosa sieht mich verständnislos an. »Eine Party. Ich backe Kuchen, koche, ganz viel, dann machen wir das Licht aus, und wenn Lex durch die Tür kommt, springen wir alle auf und – Überraschung!« Meine Darbietung ist eher mittelmäßig. »Kann ich Ihre Schlüssel haben? Ich bringe sie Ihnen im Lauf der Woche zurück!«
Es dauert ein bisschen, bis sie sich das alles zusammengereimt hat, doch dann erscheint ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht. »Ah, Mrs. Forman, gut Idee!« Damit geht sie hinüber zur Garderobe, wo ihr Mantel und ihre Tasche hängen, sucht einen Augenblick und zieht dann einen Schlüsselbund hervor. Das Metall blinkt in meiner Hand, und ich verspüre den Drang, sofort zu handeln.
Die Tür lässt sich mühelos öffnen, ohne das leiseste Geräusch; die Scharniere aus gebürstetem Edelstahl funktionieren einwandfrei. Kein Vergleich zu meiner verquollenen Haustür, die nach jedem Regen klemmt. Ich war noch nie hier. Lex führt nicht in dem Sinne ein Haus – oder ich stehe nur nie auf der Liste der Gäste. Als ich die Treppe hochkomme und den großen Wohnraum betrete, denke ich, dass eher Letzteres der Fall ist. Die Wohnung ist riesig; ausgestattet mit mehreren niedrigen Ledersofas, Lampen im Fabrikdesign, großen, verstörenden, modernen Bildern an den Wänden, einem Kuhhaut-Teppich und einer offenen Küche mit Bartresen. Aus dem Küchenmüll riecht es auffallend streng; hier müsste mal wieder Rosa mit ihren Gummihandschuhen her.
Im Bad halte ich mich lange auf und sehe mir die Mosaikfliesen an. Eigentlich gibt es hier nichts Besonderes, nur in einem Schränkchen hinter der Toilette entdecke ich ein Fach mit Zahnhaftcreme. Du meine Güte. Lex weiß genau, dass eine Fünfundzwanzigjährige das noch peinlicher finden würde als Hämorrhoidensalbe.
Allmählich finde ich Gefallen an meinen Überschreitungen. Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank, lasse den Verschluss aufploppen und fange an, seinen Schreibtisch
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