Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
erworben habe, den Marschbefehl erteilen will? Du ziehst Kinder groß und erwartest im Gegenzug Liebe. Kriegst du die nicht, fühlst du dich betrogen. Und genauso geht es mir auch.«
Ich stehe jetzt an der Tür zu Avas Zimmer, das Feuerzeug lasse ich nicht aus den Augen. Gleichzeitig spüre ich den Schlüssel in der Hand. »Du machst dich zum Gespött. Die erste weibliche Geschäftsführerin eines großen Unternehmens, das bankrott ist. Dafür wird man nicht zum Ritter geschlagen.« Ich stoße mit dem Zeh gegen irgendetwas, wage aber nicht nach unten zu sehen; den Fehler habe ich schon mal gemacht und bin hart bestraft worden.
Portia schnaubt. »Als mir das mit Paul und Melody aufging, wusste ich, dass ich damit eine wunderbare Möglichkeit hatte, das Chaos in Gang zu setzen. Die Forwood-Chefs mussten in schlechtem Licht dastehen, damit wir den Deal aufschieben konnten, bis die Bedingungen besser sind.«
Ich stoße das Objekt auf dem Fußboden an, kicke es hoch in die Luft. Ein rotorangefarbener Blitz saust an mir vorbei, und ich weiß sofort, was das ist: Avas Roboter.
»Attacke! Attacke!«, schnarrt er los, unglaublich laut, und Portia gerät aus dem Konzept. Sie stolpert, was mir eine kostbare Sekunde bringt. Ich schlage ihr das Feuerzeug aus der Hand und sehe, wie es die Treppe hinunterkullert. Dann ramme ich ihr den Ellbogen ins Gesicht und stoße sie beiseite. Als ich den Schlüssel gerade im Schloss habe, springt sie mich an, um mich umzuwerfen, und noch während ich zu Boden gehe, dreht sich der Schlüssel. Greller Schmerz schneidet in meinen Rücken, und ich weiß, dass ich keine Kraft mehr habe, ihr zu widerstehen.
In einer grotesken Parodie auf die Raufereien unserer Kindheit klettert Portia auf mich, setzt sich auf meine Brust und drückt meine Arme mit den Knien zu Boden. Der Schmerz nimmt mir den Atem. Von irgendwoher fördert sie plötzlich ein Seil zutage, streift es mir über den Kopf und zieht es um meinen Hals zu. Unter dem Druck treten meine Augen hervor, jeden Moment kann mein Kopf explodieren.
»So ist es gut. Nicht kämpfen. Manchmal ist das Geschäft unerfreulich. Äußerst unerfreulich.« Fasziniert von der Qual, die sie mir bereitet, streicht sie mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, um besser sehen zu können. »Die, die im Weg stehen, werden beiseitegeräumt; die, die hilfreich sein können, werden gehegt.« Ihr Ton ist ruhig, ein leiser Singsang, beinahe spöttisch. »Du denkst, Paul ist auf deiner Seite? Nein … Paul hält zu mir.«
Ich habe keinen Kampfgeist mehr. Meine Lider sind wie ein roter Vorhang; ich sehe nichts, empfinde nur noch maßlose Enttäuschung. Portia hat mich verunsichert; in meinen letzten Augenblicken muss ich mich fragen, ob Paul und sie … Ich höre etwas, das klingt wie ein schwerer Kieselstein, der in der Abenddämmerung in einen See fällt, dann werde ich vom Druck auf Brust und Hals erlöst, und während ich verzweifelt nach Luft schnappe, hebe ich die roten Vorhänge. Portia liegt neben mir. In der Türöffnung steht Paul, den Kricketschläger in der Hand. Er starrt mich ungläubig an, dann verdreht er die Augen und sackt ohnmächtig zu Boden.
Ich huste und spucke, und der ganze Brustkorb tut mir schrecklich weh, aber ich schaffe es trotzdem, mich am Geländer hochzuziehen. Josh taucht auf. Ich will ihn umarmen, gebe den Versuch aber schnell wieder auf; der Schmerz ist zu stark. Der Gasgeruch wird immer intensiver, schon habe ich das Gefühl, dass sich in meinem Rachen eine Art Film gebildet hat.
»Mach sofort alle Türen und Fenster auf! Versuch nicht, hier drin zu telefonieren, dabei könnte das ganze Haus in die Luft fliegen. Geh raus auf die Straße und hol jemanden zu Hilfe.« Glücklich, endlich konkrete Anweisungen zu haben und etwas tun zu können, rennt er los.
Ich schleppe mich nach unten in die Diele, zu dem Schrank unter der Treppe. Dabei versuche ich, mich von dem kaputten Rohr wegzudrehen. Das Zischen des entweichenden Gases ist von dem Zischen in meinem Kopf nicht zu unterscheiden. Ich muss klären, ob Portia die Wahrheit gesagt hat. Wenn Ava irgendwo in der Nähe des Gases versteckt ist, dann am ehesten hier. Ich krieche in den hinteren Teil der dunklen Abseite. Licht zu machen wage ich nicht. »Ava!« Auf Knien zerre ich an der alten Tür zu dem schon lange nicht mehr genutzten Kohlenkeller. Jedes Rucken an der Tür ist eine Tortur. Schließlich gibt sie nach, und mir bleibt nichts anderes übrig, als hineinzukriechen und im
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