Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Halt und Festigkeit. Grenzen sind mir angenehm; ich weiß gern, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Eloide dagegen vermengt alles: Sie liebt asiatische Fusion-Gerichte, offene Beziehungen, freundschaftliche Verbindungen mit früheren Liebhabern und Ex-Männern, Yoga-Resorts auf Ibiza, und sie nennt die eigenen Eltern beim Vornamen, statt Mutter und Vater zu sagen. Das ist mir alles zu schick; bei ihr laufen die Dinge ineinander wie Farben, die man in einer Dose mischt. »Also … Kaffee? Schmeckt übrigens mit einer Prise Zimt besonders toll.«
O nein, das tut er nicht. »Ich nehme Tee. Schwarz, stark, nur mit Milch.«
»Natürlich.« Sie macht einen Schrank auf, und ich sehe diverse Schachteln und Packungen ordentlich aufgereiht. Wie ist sie mit Pauls Unordentlichkeit zurechtgekommen? Nicht besonders gut, nehme ich an. Mit seiner Untreue? Selbst für jemanden, der sich nicht durch Konventionen einschränken lässt, muss das schmerzlich gewesen sein – sehr. Er wird immer Teil meines Lebens sein. Ich sehe zu, wie sie eine neue Packung Teebeutel öffnet und einen Streifen Pappe in der Altpapierecke ihres Küchenmülls entsorgt – nein, in der maßgefertigten Recycling-Station. Dann zieht sie eine Schublade auf und stöhnt, als sie sich an irgendetwas Scharfem den Finger ritzt. Sie flucht, und plötzlich bin ich meiner einstigen Rivalin gegenüber milder gestimmt. Vor Ewigkeiten waren wir in der Tat einmal befreundet. Paul hat ihr weh getan, und ich habe ihr weh getan. Sie nimmt einen Karton Ziegenmilch aus dem Kühlschrank und gießt sich etwas davon ein. »Keine Sorge. Für dich habe ich normale.«
Als ich erleichtert seufze, lauter wohl, als ich es vorhatte, lächelt sie kurz. Sonnenlicht fällt auf den Tisch, und draußen auf der Terrasse wiegen sich die Wedel irgendeiner stachligen Pflanze sanft im Wind. Irgendwie kalifornisch, so kommt es mir vor, und plötzlich fühle ich mich zu Bekenntnissen aufgelegt, dazu, über meine Gefühle zu reden .
»Vielleicht bin ich nicht so ganz entspannt, was eure … Freundschaft angeht«, schon fällt es mir schwer, die richtigen Begriffe zu wählen, »weil ich eure Reaktion nicht normal fand. Die meisten würden sich wohl zurückziehen, heraus aus dieser verqueren Situation, neu anfangen, wenn du so willst. Dass das bei euch – bei dir und ihm – anders war, macht mich …« Weil mir die Worte fehlen, zucke ich einfach nur die Achseln. Es ist eben ein weiter Weg von der englischen Vorstadt hin zu amerikanischem Seelenbeichten-Tralala.
Sie strahlt mich an. »Das verstehe ich, aber das Leben geht ja weiter. Paul und ich sind heute ganz andere als damals, während unserer Ehe. Und ich bin jemand, der sich mit schwierigen Situationen lieber auseinandersetzt, anstatt sich zurückzuziehen. Es geht mir nicht darum, die Vergangenheit zurückzuholen; vielmehr suche ich nach einer Kontinuität, weil es mir dann leichter fällt, im Verlauf meines Lebens einen Sinn zu erkennen.« Als ich nicke, beschreibt sie mit einem Arm eine Aufwärtsbewegung. Wie eine Flugbegleiterin. Das gefällt mir. »Und das ist einfacher, wenn es mit dir keine Spannungen gibt.«
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass du dich ein bisschen zu sehr einmischst.«
Sie schaut mich erschrocken an. »Das tut mir leid. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass mein Verhalten so gedeutet werden könnte, ehrlich! Ich habe wirklich keinerlei Hintergedanken. Meistens reden wir am Telefon über die Arbeit; ich gebe ihm Tipps, wer im Kommen ist und wer nicht; erzähle ein bisschen von dem Klatsch weiter, den ich in Nachtclub-Toiletten aufschnappe. Und er verrät mir das eine oder andere aus der Fernsehwelt, das mir für meinen Blog nützen kann.« Wir sehen einander in die Augen. »Von dem er dir erzählt hat, das weiß ich, also behaupte nicht das Gegenteil.«
Ich sage nichts, denn sie hat recht. Eloide macht sich nicht nur bei Buchpremieren oder Hoteleröffnungen an Promis heran und verfolgt den Fortgang ihrer Karriere anhand der inszenierten Strahlebilder von akkreditierten Fotografen – sie geht mit der Zeit, macht sich den neuen, rauheren Umgang mit Details aus dem Leben bekannter Leute zu eigen. Sie schreibt einen gnadenlosen Promi-Klatsch-Blog, in dem es ans Eingemachte geht. Dieser Blog ist anonym, und sie legt größten Wert darauf, dass das so bleibt.
Ich trinke einen großen Schluck Tee. »Hast du mit ihm über dich und mich gesprochen?«
»Ansatzweise.« Ich warte auf den Stachel der
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