Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Es kam heraus, dass meine Gesprächspartnerin an solchen Glasflächen lieber Jalousien hatte als Vorhänge, weil ein möglicher Eindringling sich da nicht so leicht verstecken kann. Nachdem sie fünf Jahre zuvor einmal überfallen worden war, fürchtete sie sich – die groß war und eine lange Nase hatte, an die sie möglicherweise mit der Zungenspitze herankam – davor, in ihrem eigenen Haus angegriffen zu werden. Sie hielt sogar meine Hand. »Es ist verrückt. Eigentlich rede ich nie darüber. Ich wusste gar nicht, dass mir das noch so in den Knochen sitzt.« Da zeigt sich – im Kleinen – die Macht der richtigen Fragetechnik.
Lautes Gelächter machte unserem vertraulichen Gespräch ein Ende. Auf der anderen Seite des Raums erzählte Paul gerade Eloide einen Witz. Sie lüpfte beim Lachen einen fransigen Fuß fast bis zum Po. Sie war die strahlende Gastgeberin, auf alles eingestellt und in Höchstform, und wir waren die Planeten, die in ihrer Umlaufbahn kreisten.
Heute hat sie einen Minirock an, flache Ballerinas und eine durchsichtige Strumpfhose. Ihre Beine sind makellos. Zum Minirock trägt sie eine Bluse mit großer Schleife am Kragen und langen, bauschigen Ärmeln. Zum ersten Mal sehe ich sie in einem Kleidungsstück, das ich nicht sofort auch haben möchte. Sie ist nicht geschminkt, und ich empfinde plötzlich meinen roten Lippenstift als zu viel des Guten, meine Foundation als zu dick aufgetragen. Ich bin nicht einmal sicher, ob sie sich gekämmt hat. Eloide ist in einer Weise achtlos, was ihr Äußeres angeht, die sich nur echte Schönheiten leisten können. Und sie ahnt nicht einmal, wie sehr das andere nervt.
Sie geht mit leisem Klacken über den Marmorboden, lässt sich auf einem Stuhl am Küchentisch nieder und schlägt die perfekten Beine doppelt übereinander.
»Und? Wie geht’s dir?« Sie lächelt mich an, als wäre ich eine von diesen Zweite-Garnitur-Berühmtheiten, die sie immer interviewt.
»Könnte besser sein, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Dann hast du von Melody gehört?«
»Ja, Paul hat’s mir erzählt.« Paul hat’s mir erzählt. Der nervtötendste Satz überhaupt. »Er sagt, ihr seid beide von der Polizei befragt worden.« Ich nicke und ärgere mich noch mehr.
»Das ist so furchtbar … der arme Paul.« Sie fährt sich ein paarmal mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Oh, ich meine, es ist natürlich nicht nur für ihn furchtbar …« Jetzt sieht sie mich flehentlich an. Sie merkt, dass das ein bisschen zu viel war. »Ich meine, weil er mit ihr zusammengearbeitet hat … Oh, Gott, können wir einfach zurückspulen und noch mal von vorn anfangen?« Unter nervösem Lachen lässt sie ihre Hände umeinander kreisen; demonstriert mit Gesten, was sie meint, für den Fall, dass ich zu doof bin, ihre Worte zu verstehen.
»Womit fangen wir an?« Ich verschränke die Arme. Inzwischen wünsche ich längst, ich wäre gar nicht erst hergekommen.
»Möchtest du einen Kaffee?« Mit wiegendem Schritt geht sie zu einem ihrer tollen Küchenschränke und fördert eine blitzende Kaffeemaschine zutage. »Ich möchte nicht, dass es zwischen uns Spannungen gibt. Wir waren mal befreundet, und ich fände es schön, wenn es wieder so wäre.« Sie steckt den Stecker der Maschine in die Dose und lächelt mich gnadenlos an.
Das ist ja wohl ein Witz! Sie kommt mir von oben herab? Mein Gott, ich hoffe, sie weiß nichts über meinen Mann und Melody. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber für so was ist das Leben doch zu kurz, oder? Ich weiß, dass Paul dich gebeten hat, mich zum Essen einzuladen. Aber du hast doch genug Freunde; in deinem sozialen Leben klafft bestimmt keine Lücke. Also verstehe ich nicht, warum das jetzt hier sein muss.«
Sie zieht eine Filtertüte aus der Packung und nickt. »Ich kann verstehen, dass du es so siehst. Aber – und das darfst du bitte nicht falsch verstehen – ich mag Paul immer noch, obwohl er mich deinetwegen verlassen hat. Er hat mir einmal viel bedeutet und wird immer Teil meines Lebens sein. Ich wollte einfach wissen, ob du damit ein Problem hast …«, zu dem Wort »Problem« malt sie Anführungszeichen in die Luft, »… und ob wir das irgendwie klären können.«
Ich beobachte Eloide in ihrem modischen Haus, sehe, wie die blanken Oberflächen und noch mehr ihr glänzendes Haar das Sonnenlicht reflektieren, und fühle mich wie eine eklige Kröte. Ich presse meinen Fuß gegen ein kantiges Tischbein, das gibt mir
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