Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Stirn und schüttelt den Kopf. »Er war sauer auf Sie? Warum?«
»Er denkt, jemand will ihm den Mord an Melody in die Schuhe schieben.«
»Wer?«
»Paul, John, ich, wir alle. Er hat gegen uns alle gewettert. Wahrscheinlich war er betrunken.«
»Glauben Sie, dass es so ist?«
Ich hole tief Luft. »Lex ist verzogen. Wenn es nicht nach seinem Willen geht, beschuldigt er die anderen.«
»Warum hat Paul Melody umgebracht?«
»Ich weiß nicht, ob er sie umgebracht hat. Das habe ich nie gesagt! Ich verstehe nur die Geschichte mit dem Hund nicht … Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll … wem ich noch trauen kann.« Ich kaue an einem eingerissenen Nagel; mit dem Nikotin flutet Trauer meinen Körper. Ein anderer Satz, den Lex während unserer wahnwitzigen Autofahrt gesagt hat, kommt mir in den Sinn: Wir wissen, dass immer wieder Unschuldige vor Gericht landen. Gott behüte, wenn ich mich irre!
Jetzt starren sie mich beide an. »Hatte Ihr Mann eine Affäre?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wagen Sie doch mal eine Vermutung. Andere meinen, dass es so war.«
»Ich weiß es nicht!«
»Ist er schon mal untreu gewesen?«
»Nicht mir gegenüber.« O’Sheas eine Braue hebt sich geringfügig. »Er war vorher schon mal verheiratet.« Ich senke den Blick. »In der Zeit sind wir zusammengekommen.«
O’Shea schweigt einen Moment, und Samuels, so scheint es, weidet sich an meiner Verlegenheit.
»Das ist ein sehr schönes Haus, Kate. Man könnte Sie direkt beneiden. Gibt es vielleicht Geldprobleme, irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten?«
»Nein.«
»Woher wissen Sie das so genau?«
»Ich sehe die Kontoauszüge; wir haben ein gemeinsames Konto.«
»Was ist vorgefallen? Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Aussage zu korrigieren?«
Ich schaue hinaus in den blühenden Garten. Dort explodiert das Leben förmlich; es ist Frühling. Von Avas Spielhaus ist nur noch das rote Dach zu sehen. »Haben Sie schon mal vom Halo-Effekt gehört?«
»Nein.«
»Soziologen benutzen diesen Begriff. Wenn jemand vom Aussehen her besonders attraktiv ist, nehmen wir fälschlicherweise an, dass er in jeder anderen Hinsicht genauso attraktiv ist. Wir vermuten, dass er prinzipienfester ist als durchschnittlich aussehende Leute, dass er im Umgang angenehmer ist, ehrlicher. Seine außergewöhnliche Schönheit macht uns blind für seine Schwächen. Ich vermute, dass viele Prominente – Schauspieler oder Models – eine solche Wirkung auf andere haben.«
Ich sehe ein Paar Socken von Paul auf der Arbeitsplatte liegen, die eine ist noch in der Form seines Fußes aufgeplustert. Sogar die Füße meines Mannes sind schön. »Ich konnte es allein einfach nicht mehr beurteilen. Ich brauche jemanden, der mir das eine oder das andere bestätigt.«
»Sie wollen also sagen, dass Paul die Tat begangen hat, die meisten Leute aber annehmen würden, dass es nicht so ist?«
»Was ich sage, ist: Ich weiß es nicht. Und ich will die Wahrheit wissen, weiter nichts.«
»Aber warum gerade jetzt?«
Ich drücke die Zigarette auf einem schmutzverkrusteten Teller aus. »Lex und ich begegnen einander nicht oft so unverstellt. An dem Abend tat er mir plötzlich leid. Wenn er es nicht war … Ich kann meinen Kindern nicht mehr in die Augen sehen, solange ich Zweifel hege, und weil … weil …«
»Was, Mrs. Forman?«
Fast hätte ich gesagt, dass ich um mein Leben gefürchtet habe, aber gerade noch rechtzeitig mache ich mir klar, wie sich das auswirken könnte. »Nichts.«
O’Shea drückt eine Aktenmappe an ihre Brust, als wäre es ein Baby, und ich frage mich, ob ihre Karriere wohl ihr Kind ist.
»Wie geht es jetzt weiter?«
»Die Leute werden noch ziemlich lange hier zu tun haben. Möglicherweise müssen Sie schriftlich Ihr Einverständnis erklären, dass sie ein paar Dinge mitnehmen können.« Sie steht auf.
»Wo gehen Sie hin?«
»Ich werde jetzt Paul Forman vernehmen.« Samuels begleitet sie bis nach draußen zu ihrem Wagen; ich bleibe allein in der Küche zurück. Irgendwo fliegt eine Tür ins Schloss. Die Erschütterung weht eine von Pauls Socken auf die Bodenfliesen, wo sie liegen bleibt und kurz darauf von einem Polizisten, der aus dem Garten hereinkommt, plattgetreten wird.
30
I ch hoffe, die beiden Tüten Käsecracker, die auf dem Heimweg von der Schule leer gemuffelt worden sind, die Brausebonbons und Weingummis an der Haustür, die Comics vor dem Videorekorder, die Fish and Chips vom Imbiss, der Schokoladenkuchen zum Nachtisch und
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