Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
fällt auf den Tisch und rollt in meine Richtung. Ich begreife, wie kompliziert Zaubertricks tatsächlich sind und wie viele Stunden Übung nötig sind, bis man die nötige Fingerfertigkeit hat. So viel Zeit hat George nicht investiert. »Nein. Nein, bleiben Sie nur. Aber wir müssen darauf achten, dass Sie nicht zu sehr in Erscheinung treten.«
»Danke.« Was er damit meint, erläutert George nicht. Wie sollte jemand, der recherchiert, überhaupt in Erscheinung treten?
»So, und jetzt zu heute Abend …«
»Habt ihr die Website von Lex gesehen?«, fragt Matt. »Hier.« Seine Finger fliegen über die Laptop-Tastatur, und dann dreht er das Gerät so, dass alle im Raum auf den Bildschirm schauen können. »Seit gestern ist die Zahl der Besucher um vierhundert Prozent gestiegen. Das ist sensationell. Bislang sind zweieinhalb Millionen gesetzt worden. Vielleicht können wir irgendwie auf diesen Zug aufspringen? Auf uns aufmerksam machen?«
»Oder das Modell in unseren Kampagnen nachmachen?«, fügt Shaheena hinzu.
Das animiert George. »Die Show wird ein Riesenerfolg.« Dann wendet er sich an die Webseitenredakteurin. »Wir müssen uns heute Abend nach der Sendung sofort zusammensetzen.« Stumm wie ein Fisch öffnet sie den Mund und schließt ihn wieder.
Livvy lehnt sich zurück und weidet sich an dem Skandal, in dem wir stecken. »Hauptsache, sie verhaften nicht noch einen von uns, bevor wir auf Sendung gehen.« Zustimmendes Gemurmel, und dann geht jeder seiner Wege, um noch letzte Vorkehrungen für den Abend zu treffen.
Eine halbe Stunde später ruft Sergei an. Er sucht verzweifelt nach Lex. »Er ist nirgends zu finden! Das Schiff treibt führerlos dahin, möchte ich sagen. Die Mitarbeiter brauchen ein bisschen motivierenden Zuspruch, es gehen wilde Gerüchte um, und ich fürchte, wenn er nicht bald auftaucht, fangen die Leute an, der Presse irgendwelches Zeug zu erzählen.«
»Hast du es bei ihm zu Hause versucht?«
Er seufzt, als hätte er es mit einer armen Irren zu tun. »Zu Hause, auf dem Handy, im Fitnessstudio, bei seiner Mutter, in seinen Lieblingsrestaurants, über seine Website, per E-Mail. Er ist nicht da.«
Das kommt mir merkwürdig vor. Ich sage Sergei, er soll die Krankenhäuser abtelefonieren für den Fall, dass Lex nach dem Unfall doch noch Schmerzen gekriegt hat.
»Er hat sein Auto zu Schrott gefahren, und du warst dabei?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich habe Zeit.«
»Ein andermal, ehrlich. Ich bin noch bei der Arbeit.«
Er verabschiedet sich niedergeschlagen, und ich versuche es bei John, der sich zu meiner Überraschung sofort meldet. »Wo ist Paul, mein Gott?«
»Noch auf der Wache. Er hat mich weggeschickt; meinte, er braucht mich nicht.«
»Ist das denn klug?«
»Nein. Aber er hat darauf bestanden, und du weißt, wie er dann ist.«
»Werden sie ihn verklagen?«
»Sie lassen das Blut auf dem Schal untersuchen. Auf das Ergebnis dieses Tests warten sie jetzt. Wenn sie das innerhalb der nächsten Stunde nicht haben, müssen sie ihn gehen lassen.«
»Waren sie fies zu ihm?«
John gibt einen merkwürdigen Laut von sich. »Es geht um Mord, Kate, nicht um Vandalismus in einer Kirche oder so was.«
»Entschuldigung.« Ich bohre nicht weiter. »Hast du was von Lex gehört? Kein Mensch weiß, wo er steckt.«
»Nein. Was hat er denn nun wieder vor?« John klingt genervt.
»Wenn Paul nicht rauskommt, muss Lex morgen im Büro sein.«
»Ich kümmer mich drum.« Ich höre, dass er mit irgendetwas hantiert. Er ist abgelenkt. »Lassen die Presseleute euch in Ruhe?«
»Nicht wirklich.«
»Wie geht’s den Kindern?«
»Nicht besonders.« Heftige Schuldgefühle packen mich.
»Pass gut auf sie auf, Kate.«
Ich bedanke mich, wenn ich auch nicht genau weiß, wofür.
33
A m Nachmittag kriege ich endlich eine SMS von Paul. Sie müssen ihn gehen lassen, er fährt jetzt nach Hause. Verzweifelt wünsche ich, ich könnte ihn sofort sehen. Meinetwegen haben sie ihn abgeholt. Jetzt ist er draußen, und ich will einfach nur meinen Mann wiederhaben. Ich treffe Livvy an der Toilettentür; sie fährt sich gerade mit nassen Händen übers Haar. »Ich muss nach Hause.«
Sie lässt die feuchten Strähnen herabhängen. »Haben sie ihn entlassen?«
»Ja.« Ich erwarte die Schmährede, den Vorwurf, dass ich meine Familie wichtiger nehme als die Sendung. Es kommt nichts dergleichen.
»Ab mit dir.« Sie sieht beinahe glücklich aus.
»Ich gleiche das aus, versprochen!«
Sie schenkt mir ein
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