Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
Promotion ist nur ein Zwischenspiel. Die große Vagabondage geht weiter. Noch ist das ein begabter junger Mann mit vielen Möglichkeiten, der das, was er wirklich sucht, was ihm vor allem wichtig ist, noch nicht gefunden hat und der entschlossen ist, sich alles offen zu halten.
Er bricht auf nach Venezuela, um dort den Freund Alberto Granados zu treffen. Er will sich um eine Anstellung im Leprakrankenhaus Cabo Blanco bewerben, wo auch Granados arbeitet. Noch immer gilt das Lebensziel, als Arzt Helfer der Armen zu werden.
Mit ein paar Kameraden reist er mit einem Bummelzug, der Milchkannen befördert, von Buenos Aires nach La Paz in Bolivien. Eine Reise über 6.000 Meilen, und der Zug hält auf jedem Dorf.
Bolivien ist das ärmste Land in Südamerika. Seine Hochflächen gehören zu den unfruchtbarsten Ackerbaugebieten der Welt. Die Bevölkerung, zum größten Teil Indios, lebt in unvorstellbarer Armut. Von dem primitiven Ackerbau und der Lamazucht können sich die Menschen kaum ernähren. Bolivien ist aber auch ein sehr reiches Land. In seinen Bergen finden sich wertvolle Bodenschätze. In Bolivien werden 15% der Weltproduktion an Zinn gefördert. Silber, Blei, Zink, Kupfer - und am Ostrand der Anden auch Erdöl - werden abgebaut.
Trotzdem nehmen die Auslandsschulden des bolivianischen Staates jährlich um (umgerechnet) circa 40 Millionen Euro zu.
Wie ist das möglich?
Zinn und die anderen Mineralien sind auf dem Weltmarkt gefragt. Das Roherz wird nach England, Deutschland und in die USA exportiert. In diesen Ländern werden die Preise bestimmt. Die ausländischen Abnehmer betreiben ihre Preispolitik, ohne Rücksicht auf den Lebensstandard der Minenarbeiter, allein unter dem Gesichtspunkt, für sich selbst einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen.
Bei der Stadt Potosi in Bolivien liegt ein Silberberg. Vom 16. bis 18. Jahrhundert herrschten die Spanier in Bolivien. Der Silberreichtum hatte sie dazu bewegt, sich das Land zu vereinnahmen. Für die Gier der Eroberer nach Reichtum und Prunk starben 8 Millionen Indios in den Bergwerken von Potosi, während im Moneda-Gebäude derselben Stadt 3 Milliarden Silbermünzen geprägt wurden, die nach Europa gingen.
Das war früher. Das war in den Zeiten des Kolonialismus. Noch heute kann man am Portal des Gebäudes der alten Prägeanstalt den Wahlspruch der Ausbeuter von damals entziffern. Er lautet: »Wir sind gekommen, um Gott zu dienen und reich zu werden.« Das klingt barbarisch. Aber nur vordergründig hat sich seither etwas geändert.
In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wird in Potosi Zinn abgebaut. Die Indios nennen das Grubenloch, das auf 4800 Meter Höhe in den Berg führt, den »Eingang zur Hölle«. Bei Temperaturen von 40 Grad ist die Arbeit mörderisch. Über die Hälfte der Bergbauarbeiter ist lungenkrank. Die Löhne sind unerhört niedrig. Trotz schlechter Ernährung und Krankheit müssen diese Männer Schwerstarbeit leisten. Sie betäuben ihren Hunger und ihre Schmerzen, indem sie Cocablätter kauen. Das Aufputschmittel, ständig genossen, führt seinerseits zu schweren Gesundheitsschäden.
In La Paz, dieser verrückten Stadt in einer Riesenmuschel unter dem Dach der Welt, bricht Ernesto die Reise zu dem Jugendfreund zunächst ab. Hier kreuzt ein Mann seinen Weg, der sein Umherstreifen auf ein ganz anderes Ziel hin lenkt: Ricardo Rojo ist ein junger Rechtsanwalt aus Buenos Aires, der auf spektakuläre Weise aus den Gefängnissen des Perón-Regimes entflohen ist, zunächst in der Gesandtschaft von Guatemala in Buenos Aires Asyl gefunden hat, um dann über Chile nach Bolivien zu entkommen.
In Bolivien ist vor kurzem eine Partei an die Macht gekommen, die wenigstens für einige Jahre die nationalen Interessen und die Forderungen der Bergarbeiter aus den Zinnminen mit einigem Nachdruck zu vertreten versucht - das Movimiento Nationalista Revolutionaria, abgekürzt MNR. Es siegt bei der Wahl im Mai 1951. Aber die Rechte ermuntert die Armee, mit einem unblutigen Staatsstreich die Macht im Land zu übernehmen. Daraufhin kommt es zum Aufstand gegen das Militär. Anfang April 1952 erheben sich die Fabrik- und Eisenbahnarbeiter, die Studenten, Professoren, die Bergleute aus Milluni, die Bauern, die mit der Mittelklasse-Gruppe der MNR verbunden sind, und die Nationalgarde. In Oruro zwingen Bergarbeiter die wohlausgerüsteten Regimenter des Heeres mit Dynamitladungen zur Kapitulation.
Die revolutionäre MNR-Regierung verdankt also ihre Macht den
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