Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
Verbrechens schuldig gemacht zu haben.
Che bezeichnet er als den historischen Erben des Simón Bolivar und fügt hinzu: »Guevara hatte keine Zeit, um im bolivianischen Urwald eine Befreiungsarmee aufzubauen, aber das war seine Idee. Das ist schwierig und manch einem mag das utopisch erscheinen, aber die Idee ist unbesiegbar, und eines Tages wird sie triumphieren.«
Tragödie
Völlig auf sich allein gestellt setzt die Nachhut ihren Marsch durch das offene Land fort. Tania versucht, sich entschieden und siegesgewiss zu geben. Bei Gefechten fordert sie die Regierungstruppen mit einem Megafon dazu auf, zu den siegreichen Revolutionären überzulaufen. In Wahrheit ist die Lage verzweifelt. Der Trupp hat praktisch nichts mehr zu essen. Die Guerillas wagen es immer seltener, sich den Bauern zu zeigen, von denen sie mit dem Geld, das Tania noch bei sich trägt, eventuell Lebensmittel kaufen könnten.
In der Gruppe, in die Che jene Männer gesteckt hat, die sich wenig bewährt haben, gibt es einige, die mit dem Gedanken des Verrats spielen. Das Misstrauen wächst. Es kommt zu gegenseitigen Anschuldigungen. Mord- und Selbstmordversuche sind nicht selten. Trotz ihrer Ausbildung in der DDR und auf Kuba droht Tania mehr als einmal durch die Strapazen, die Hoffnungslosigkeit und die psychischen Depressionen, die sie überkommen, zusammenzubrechen.
Um sich abzulenken, erzählt sie ihren Gefährten Geschichten aus besseren Tagen. Sie schwatzt von Hotels in Moskau, zählt auf, was sie in diesem und jenem Restaurant in Prag vor Jahren gegessen hat, gibt Fetzen französischer Gedichte zum besten, lässt sich über bolivianische Folklore aus. Die Männer interessiert das wenig. Sie halten sie für eingebildet, ein Hemmnis auf einem Marsch, der kein Ziel mehr hat, ein nutzloses weibliches Geschöpf, mit dem man sie belastet hat.
Um sie zu reizen und zu demütigen, zieht sich Joaquín in ihrer Gegenwart nackt aus. Die anderen beschimpfen sie, nennen sie eine unverbesserliche Prahlerin, deren Geschwätz noch einmal dazu führen werde, dass die ganze Gruppe entdeckt wird. Soll sie es noch einmal wagen, von argentinischen Steaks, dem Wiener Prater und Badestränden in Kuba zu schwärmen - dann werden sie sie zurücklassen: Beute für Schlangen und Raubvögel.
Seine eigene Angst und vielleicht auch Wut darüber, ein weibliches Wesen vor sich zu haben, dass dennoch für ihn tabu sein muss, führen bei Joaquín immer wieder dazu, dass er Tania bis aufs Blut reizt.
Einmal brüllt das Mädchen in völliger Verzweiflung zurück: »Wenn ihr mir nicht mehr vertraut, dann erschießt mich doch, erschießt mich auf der Stelle.«
Von revolutionärer Moral, wie sie sich Che vorstellt und erzwingt, ist mittlerweile in der Gruppe keine Spur mehr.
Am 23. Mai ist der Bolivianer Velasco Montano von der Nachhut desertiert und erschossen worden. Am 2. Juni fällt Major Sanchez, den Che in der Zeit nach Tanias Ankunft degradiert hatte, auf einem Beobachtungsgang. Alle um sie, das spürt Tania immer deutlicher, wissen, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Und was sich vielleicht von Ostberlin, Havanna oder selbst noch von La Paz aus als ein verlockendes Abenteuer dargestellt hat, zeigt jetzt sein wahres Gesicht. Dies hier ist ein Selbstmordunternehmen im Dschungel, unter Männern, die keine Helden sind, die mehr und mehr von Angst und Schrecken zerrüttet werden.
Ein Hinterhalt wird gelegt. Sie fangen zwei bolivianische Soldaten. Aber bald gelingt es den beiden, wieder zu entkommen und zu ihrer Einheit zurückzukehren. Sie berichten ihrem Hauptmann, Mario Vargas, über ihre Erfahrungen.
Am Pass Maurucio, den man überschreiten muss, wenn man zum Rio Grande will, steht eine Hütte, in der ein gewisser Honoratio Rojas mit seiner Frau und seinen Kindern lebt - die einzige Bauernfamilie weit und breit. Die Armee hat gehört, dass Rojas die Guerilleros, die sich in dieser Gegend aufhalten, mit Lebensmitteln versorgt.
Am Dienstag, den 29. August 1967, schickt Leutnant Pedro Barberi einen Sanitätsfeldwebel namens Garcia zu den Rojas, um sie zu veranlassen, die Guerillas an die Armee zu verraten. Während Garcia noch mit Rojas in dessen Hütte spricht, schlagen die Hunde draußen an. Rojas sagt: »Das sind sie.« Er meint die Guerilleros.
Garcia zieht sich aus und kriecht ins Bett. Als die Männer eintreten und den Fremden sehen, erklärt ihnen Rojas, dies sei ein Nachbar, der einen schweren Malariaanfall erlitten habe, deswegen zittere er so.
Die Guerillas
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