Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
sie nicht sehen konnten, wie mir die Tränen in die Augen traten, während ich aß und trank.«
Nach einer weiteren Verlegung auf eine Farm der Armee bessert sich die Situation der Gefangenen etwas. Das Essen ist nun erträglich. Sie dürfen miteinander sprechen, bleiben aber scharf bewacht. Sie führen lange Diskussionen, vertrauen einander an, warum sie nach Bolivien gekommen sind und tauschen Familienerinnerungen aus. Die kalten Nächte, wenn der Surazo (ein Wind aus der Antarktis) weht, verbringen sie damit, sentimentale Liebeslieder zu singen. Debray singt immer wieder »Guantanamera«, ein Lied mit dem Text von Martí, das ihn an seine Verlobte Elisabeth Burgos erinnert.
Die Fragen in der internationalen Presse nach dem Schicksal Debrays, die Interventionen, zu denen sich Papst Paul VI indirekt und Charles de Gaulle in einem persönlichen Brief an Präsident Barrientos entschließen, zwingen die bolivianische Regierung, Ende Juni ihr Schweigen zu brechen.
Monsignore Andrés Kennedy, der Sekretär der bolivianischen Bischofskonferenz und Armeekaplan, erscheint mit einem Hubschrauber auf der Farm El Torno, um die Gefangenen in Augenschein zu nehmen und dann der Presse Bericht zu erstatten. Es ist für die drei Männer seit zwei Monaten der erste Kontakt mit der Außenwelt. Noch immer ist offiziell keine Anklage gegen sie erhoben. Auf einer Pressekonferenz versichert Monsignore Kennedy, Debray, Bustos und Roth seien bei guter Gesundheit und nie irgendwelchen Misshandlungen ausgesetzt gewesen.
Am 8. Juli wird Roth gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Bustos versucht, die Botschaft seines Heimatlandes zu bewegen, ihm zu helfen. Da er aber mit einem falschen Pass nach Bolivien eingereist ist, wird dies zum Vorwand genommen, ihn seinem Schicksal zu überlassen.
Am 18. August 1967 beginnt der Prozess gegen Debray und Bustos vor einem Militärgericht in Camiri. Der Ankläger, Oberst Remberto Iriarte, stützt sich in seinem Plädoyer vor allem auf Zeugenaussagen von Deserteuren, Gefangenen und Angehörigen der Armee. Es geht darum, zu beweisen, dass sich Debray aktiv an der Guerilla beteiligt hat. Eines der erbeuteten Tagebücher enthält angeblich unter dem 28. März die Bemerkung, dass Guevara angeordnet habe, M-l-Gewehre an die Kombattanten Debray und Pelado auszugeben. (In den inzwischen veröffentlichten Tagebüchern von Che, Rolando, Pombo und Braulio findet sich indessen keine derartige Eintragung!) Aber der Ankläger kann keinen Hinweis dafür erbringen, dass Debray jemals eine Waffe benutzt hat. Teile eines Romans und Debrays Notizbücher, die dem Gericht ebenfalls vorliegen, werden auf Einspruch der Verteidigung nicht als Belastungsmaterial gewertet, da die Auslegung von persönlichen Aufzeichnungen gegen einen Angeklagten im Widerspruch zu einem Artikel der bolivianischen Verfassung steht.
Die Falle, in die der Ankläger Debray zu locken versucht, ist geschickt gestellt: Leugnet er seine aktive Teilnahme an der Guerilla, so wird seine Glaubwürdigkeit als Revolutionär erschüttert. Gibt er seine Mitwirkung zu, so gilt das als Geständnis im strafrechtlichen Sinn.
Das Militärtribunal fühlt sich aber unter den kritischen Blicken der zahlreichen ausländischen Beobachter ziemlich unbehaglich. »Die fünf Obristen, die als Richter fungierten, tragen Seitenwaffen und Sonnenbrillen, gleichgültig, zu welcher Tageszeit das Gericht tagt«,schreibt der amerikanische Korrespondent Paul L. Montgomery.
Die Verhandlungen ziehen sich bis zum 17. November hin. Dann werden Debray und Bustos zu 30 Jahren Militärgefängnis verurteilt.
Der Schuldspruch versucht, die Lücke, die zwischen dem klar erkennbar gewordenen Status von Debray und Bustos als Nicht-Mitkämpfer und den Anschuldigungen der Anklageschrift klafft, zu überdecken.
Es wird auf die Kampfhandlungen am 23. März und 10. April 1967 Bezug genommen, in deren Verlauf 20 bolivianische Soldaten von der Gruppe Guevaras getötet worden sind. Weiter heißt es dann: »Wer sich einer Bande anschließt, die kriminelle Taten begeht, ist verantwortlich für die Handlungen dieser Bande.«
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man mit dem Spruch vor allem den weithin bekannten Theoretiker der kubanischen Vorstellungen von einer Guerilla treffen will.
Am Tag vor der Urteilsverkündung - Che ist zu diesem Zeitpunkt schon tot - bekennt sich Debray gegenüber Reportern als politisch mitverantwortlich für die Guerilla, leugnet aber gleichzeitig, sich eines
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