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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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wollte die Schenkerin testen. Doris packte kurzerhand auch alles andere wieder ein und ließ es ebenfalls per Kurier zurückschicken. Für sie als Hamburger Bürgerasketin galt die Devise: »Geschenke sollen nie zu üppig sein, das tut den Kindern gar nicht gut.«
    Manches Mal kamen Doris und ich bei gemeinsamen Aktionen zu innigstem Einverständnis. Das trug uns dann über die kreatürlichen Eifersüchteleien hinweg, die uns beide doch immer wieder überfielen. So hatten wir einmal in einem Anflug von Mitgefühl die hinter der Garage liegende Schlafstube von Chris, einem dänischen Bildhauer, der nun als Hausmeister im Stillhouse tätig war, aufgeräumt. Wir mussten uns vorkämpfen durch Lagen von alten Zeitungen, Hundehaaren und ungewaschenen Hemden. Einmal pro Woche hatte Chris einen freien Tag, dann fuhr er in die Stadt und kam jedes Mal mit einem neuen Hemd nach Hause, das schmutzige der letzten Woche landete auf einem Haufen, durch den wir uns nun zum Bett durcharbeiteten. Nach fünf Waschgängen hingen schließlich Dutzende Hemden zum Trocknen auf der Leine im Hof.
    Als wir seine Matratze in Angriff nehmen wollten, erlebten wir eine Überraschung: Unter dem Bett befand sich eine Schreibmaschine, ein Blatt war noch eingespannt, darauf ein Gedicht, das von zarten Gefühlen innigster Liebe zeugte. Wir lasen dann indiskreterweise auch in den Stapeln von Texten und Gedichten, die in einer Kiste neben der Schreibmaschine lagerten. Welch ein geistiges Leben! Was für eine geheime Existenz führte dieser einsam erscheinende Mensch hier in seiner Abstellkammer!
    Wir warteten gespannt wie kleine Kinder auf seine Reaktion zu unserem Aufräumgeschenk. Doch als Chris aus New York zurückkam, war er schockiert. Er dankte uns zwar zunächst, weil er alt und gütig war, doch später gestand er mir, er habe sich entblößt gefühlt. Er war der Ansicht, in dieser Welt voller Chaos und Leid könne man die Dinge einfach nicht ständig in Ordnung halten.
    Trotz solcher einvernehmlichen Handlungen von Doris und mir stellte unsere Dreierkonstellation für mich immer wieder eine große Herausforderung dar. Einmal, es war meine Nacht bei Karlheinz und wir lagen im großen Himmelbett des Prunkschlafzimmers, war ich reif für seine Umarmungen. Da klopfte Doris an die Tür, vielleicht hatte sie uns gehört, ihr Zimmer lag am Flur gegenüber. Sie bat Stockhausen, ihr die Bibel herauszureichen. Sie rang offenbar auch mit widersprüchlichen Gefühlen – für sie war unsere Ehe zu dritt immer noch, wie es dem christlichen Moralkodex entsprach, Sünde. Karlheinz öffnete die Tür und zog Doris zu uns ins Bett. Sie weinte. Ich musste an die Nacht im Central-Park-South-Apartment denken, wo ich so gelitten hatte während ihrer Liebesjuchzerei. Nein, Doris sollte sich nie so fühlen müssen wie ich dort, das kann zu Kurzschlusshandlungen führen, hatte ich mich doch beinahe vom achten Stock auf die Straße gestürzt. Ich war erstaunt über meine augenscheinliche Ruhe, als Doris nun bei uns im Bett lag. Doch als die beiden nach langem Sichlieben schließlich friedlich erschöpft in den Kissen lagen, fühlte ich mich richtig fehl am Platz. Während der Liebesszene hatte ich sicherlich als eine Art Würze zum Gericht beigetragen.
    Doch jetzt trieb es mich um, denn innerlich glühte ich noch. Das Haus und alle seine Bewohner schliefen, auch der Hund bei Chris schlief, nur in seinem Zimmerchen hinter der Garage schien noch Licht. Schrieb er wieder? Wenn ich nun ein Mann wäre und Chris das Küchenmädchen, dachte ich damals, dann wäre ich sicher zu ihr ins Kämmerlein gegangen und hätte meine Glut dort gekühlt. Man hätte darüber geschwiegen, und ein etwaiges »Malheur« wie ein Kind aus dieser Nacht, das hätte man im großen Kreis der Familie schon geregelt. Mit Kind und Kegel, hieß das früher, mit ehelichen und unehelichen Kindern.
    Nun ja, ich war kein Mann, ging nicht zum Küchenmädchen. Ich hätte vielleicht zu Jack, dem einsamen traurigen Junggesellen, gehen können, er schlief im Zimmer neben seinen alten Eltern. Seines war ein jungfräuliches Bett, denn Jack hatte kein Glück mit Frauen gehabt. Er fühlte sich im entscheidenden Moment immer wie im Kleiderschrank eingeschlossen, seit er von einer Kommilitonin bei seinem ersten Mal aus dem Bett in dieses Versteck verbannt worden war, als ihre Zimmerwirtin Eintritt forderte, um den Herrenbesuch zu unterbinden. Die Erinnerung an den alten Kleiderschrank war für ihn schlimmer als eine

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