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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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denken, auch arbeiten!«, war Dieters stete Mahnung. »Neunzig Prozent von Genie ist Fleiß«, pflegte Stockhausen zu sagen. Dieter hatte mir 1960 auch das schon erwähnte Buch von Gotthardt Günther über nicht-Aristotelische Logik geschenkt, in dem es um eine Befreiung vom dualistischen Denken ging – statt »entweder/oder« besser »sowohl als auch« – und das zunächst für mich, dann ebenso für Stockhausen sehr wichtig werden sollte. Ihn würde ich nun also fragen, ob ich meine Bilder, Bücher und das letzte Paik-Klavier bei ihm in Wuppertal einlagern könne. Doris bot mir an, sich in Köln um alles Nötige zu kümmern.
    Die Zeit würde sicher irgendwann auch Benno besänftigen. Und tatsächlich: Er heiratete später die Tochter eines bekannten Fernsehjournalisten und gab Ruhe.
    Doris lieh mir schließlich fünfhundert Dollar für meinen Start in New York. Karlheinz reagierte zunächst verzweifelt und wütend, beugte sich dann jedoch unserem Plan. Beim Abschiedskuss steckte er mir hundert Dollar in die Hosentasche mit den Worten: »Kauf dir ein schönes Kleid.« Das machte mich fassungslos. Dann stieg er mit Doris und den Kindern in ein Bustaxi, das zum Flughafen fuhr. Seine Hände vor dem weinenden Gesicht werde ich nie vergessen. Ich fühlte mich betäubt und zerrissen zugleich, als führe ein Teil meiner selbst fort.
    März 1963 – die ménage à trois war also erst einmal ausgesetzt. Doris kehrte mit den Kindern in ihre Wohnung nach Köln zurück, Stockhausen folgte zunächst einer Einladung in die Schweiz, um dort zu unterrichten und zu komponieren. Ich fand für mich bald ein Atelier im National Arts Club am Gramercy Park. Es kostete hundertfünfzig Dollar Miete pro Monat; ich entrichtete sie gleich für ein Vierteljahr. Ich hatte mir vorgenommen, in dieser Frist eine Galerie zu finden. Abzüglich aller sonstigen festen Kosten blieben mir von dem Geld zirka vierzig Cent am Tag fürs Essen. Ich ernährte mich daher vor allem von Haferflocken und Vitamintabletten und ging zu jedem Empfang, bei dem es ein Buffet gab.
    Ich hatte auch noch einen kleinen Konflikt mit Jack Brimberg durchzustehen, der mir zunächst für mein Atelier Möbel geliehen hatte, diese aber nun auf einmal sofort zurückhaben wollte. Ich erhielt eine Telefonnotiz vom Büro des National Arts Club mit einer Nachricht von ihm: »Solltest du nach Europa zurückkehren, werde ich dafür sorgen, dass du dieses Land nicht mehr betreten kannst.« Was machte ihn, unseren Freund, auf einmal so wütend? Wollte er vielleicht seine Sympathie für Doris und Karlheinz und ihre in seinen Augen nun wiederhergestellte Ehe ausdrücken? Wäre meine Rückkehr nach Europa dem im Wege? Oder steckte er am Ende mit Doris’ Tante Mimi unter einer Decke, die auf Staten Island bei New York lebte und unsere Dreierbeziehung unmöglich fand?
    Ich kam nicht dahinter und gab auf. Mit Hilfe von Max Neuhaus, Schlagzeuger und Mitbegründer der elektroakustischen Klanginstallationen, der ab dem nächsten Jahr mit Stockhausen auftreten sollte, brachte ich Bett, Tisch und Stühle in dessen Bus zurück. Und so lebte ich nun auch ohne Bennos Möbelzerstörungsanfälle wieder nur mit einer schmalen Notmatratze vom Sperrmüll und meinen Malutensilien im weißen Atelier. Es sollte sich aber bald mit Sand und Baumstümpfen füllen, die ich aus Staten Island anschleppte – Materialien, die mich reizten und die ich in kommenden Arbeiten verwenden wollte.
    Einmal bekam ich Besuch von meinen Künstlerfreunden Bob Morris und Ray Johnson. Ray galt als »the most famous unknown artist of New York«, als berühmtester Unbekannter der New Yorker Kunstszene, weil er seine Werke – zumeist Collagen – nicht öffentlich präsentieren wollte. Jeder Versuch von Museen, ihn für ihr Programm einzufangen, wurde von ihm unterwandert. Einmal nahm er eine Einzelausstellung im Whitney Museum in New York an, aber unter der Bedingung, dass ihm kein Kurator reinreden würde und dass weder Presse noch Direktoren des Whitney die Ausstellung vor der Eröffnung sehen dürften. Man akzeptierte – stolz, diesen Künstler gewonnen zu haben. Am Abend der Eröffnung sah man, dass der ganze Saal mit Bildern seiner Freunde bestückt war, kein einziges stammte von ihm selbst. Mit diesem Coup gelang es ihm, viele Künstler vorzustellen, die nicht etabliert waren, von der offiziellen Kunstwelt nicht wahrgenommen oder bewusst missachtet wurden. Dieser hochsensible Künstler wurde von allen Kollegen

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