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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Prostituierte vorgestellt, nahmen nun aber erstaunt und verzaubert diese meisterhafte Kunstform des Geishatums zur Kenntnis.
    Uenami erklärte uns dazu später, diese Mädchen seien nicht käuflich, die Zeremonie habe auch weniger mit Erotik als mit der Belebung des Geistes durch tänzerische und musikalische oder intellektuelle Unterhaltung zu tun. Er erzählte, jede der Geishas gehöre einem Mann, der sie von Kind an in den Künsten des Geishalebens habe ausbilden lassen. Sie lebten hier unterstützt und finanziert von ihren Gönnern, und ihre Treue dem Sponsor gegenüber sei selbstverständlich. Ganz selten käme es vor, dass ein Sponsor das allmählich erwachsen werdende Kind zur Frau nehme, das sei aber die Ausnahme.
    Die Nacht war inzwischen fortgeschritten. Man bat uns in den Garten, wollte uns den Mond zeigen. Wir mühten uns bereitwillig aus der Hocke und wurden zum hinteren Zimmer geführt. Eine Schiebetür zum Garten wurde geöffnet, und die jeweils zuständige Geisha stand mit den Schuhen ihres Gastes in der Hand bereit. Die Wiese sei voll Tau, da brauche man Schuhe, und die Nacht sei kühl, hier also auch Mantel und Schal, liebevoll umgelegt. Dann standen wir im Garten, bewunderten den Mond, und hinter uns ging die Schiebetür leise zu, das Licht verlöschte, wir wurden zum Ausgangstor geleitet. Welch elegante Art zu vermitteln, dass der Abend nun zu Ende sei.
    Ich durfte als Gastgeschenk drei Geishabänkchen mitnehmen, die mir so sehr gefallen hatten, dass ich den Ausdruck meiner Bewunderung nicht hatte unterdrücken können. Es waren flache, in leichtem Bogen zusammengefügte Kopfbänke für den Schutz der kunstvollen Frisuren, denn mit diesen konnte man sich nicht einfach auf ein Kissen zum Schlafen legen. Diese Schutzbänkchen mit ihrer fein gemaserten Holzstruktur bekam ich verpackt und kunstvoll verschnürt als Gastgeschenk. Uenami erklärte mir später, dass man meinen so enthusiastisch zum Ausdruck gebrachten Wunsch unbedingt erfüllen wollte, das hätte die Höflichkeit verlangt.
    Da Uenami nun mein Interesse für fein ziselierte Holzarbeiten kannte, führte er uns später auch noch zu einer Sägemühle. Seit langer Zeit, viele Generationen schon, war dieses Sägewerk am Fluss im Besitz derselben Familie. Ihre Spezia lität war es, Tempelsäulen wachsen zu lassen, ja, wir hatten richtig gehört, wachsen zu lassen. Uenami führte uns in ein hinter der Mühle gelegenes Wäldchen, in dem Hunderte von Bäumen aller Altersstufen standen. Um jeden Baumstamm herum hatte man ein Muster aus Metallstreifen gelegt, das jedes Jahr etwas erweitert wurde durch immer größere Bleche, immer längere Streifen. Diese rostfreien Reifen lagerten in einem Kasten, der neben jedem der Bäume befestigt war. Es dauerte etwa dreißig Jahre, bis die Metallstreifen sich als Muster dem dann ausgewachsenen Baum durch die Rinde hindurch in den inneren Stamm eingeprägt hatten. Dann wurde er gefällt, das heißt liebevoll abgesägt, um anschließend drei Jahre lang in einem Teich zu lagern, damit sich die Rinde löste. Danach musste man die Stämme trocknen lassen und sie dann behutsam glatt schmirgeln, bis sie wie lackiert aussahen. Dann wurden sie an ihren Bestimmungsort verkauft, beispielsweise an Tempel, Teezeremoniehäuser oder Paläste. Oft stünde dann nur ein einziger solcher Pfeiler in einem leeren Raum, wir sollten einmal darauf achten. Doch wir mussten unsere Augen erst darin üben, es brauchte eine ganz andere Art der Aufmerksamkeit, um diese Feinheiten überhaupt wahrzunehmen. Uenami war glücklich, uns das alles zeigen zu können, und fühlte sich durch unser begeistertes Lob und Interesse geehrt.
    Gegen Ende unserer Reise hatten Karlheinz und ich noch ein fast mystisches Erlebnis. Wir gingen in einem Tempel einen langen, leicht ansteigenden Weg auf eine sitzende Buddhastatue aus Stein zu, diesmal ohne Umleitung, sie war also bereits von Weitem sichtbar. Im Näherkommen erschien es uns, als würde die Figur immerfort wachsen. Man selbst fühlte sich dabei stetig kleiner werden, man könnte auch sagen demütiger. Als wir endlich vor der riesigen Figur angekommen waren, befanden sich unsere Augen auf Höhe ihres Knies. Wir erkannten nun, dass darauf ein weiterer, aber ganz kleiner, höchstens drei Zen timeter hoher goldener Buddha saß, ebenfalls im Lotossitz. In dem Moment, als ich ihn entdeckte, kippte meine Selbstwahrnehmung ins Gegenteil um: War ich zuvor noch klein, bescheiden und demütig gewesen, fühlte

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