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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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die Wangen herunter. Ja, es waren Bernstein und Stockhausen, die da improvisierten, aber es war vor allem Mozart. Auch die Kinder wurden mucksmäuschenstill. Die Sonne, die jetzt am Westfenster des Erkers sichtbar wurde, warf einen warmen Farbschleier über die Szene. Es war, als wollte der Himmel seinen Segen geben.
    Die Musik wurde langsamer, leiser, die Töne immer vereinzelter, die Pausen häufiger. Jetzt war es, als könnte man in die einzelnen Töne hineinhorchen, als wäre in jedem Ton eine ganze Sinfonie verborgen. Es endete in einem Akkord, sehr leise angeschlagen. Dieser Akkord schien mir wie ein Fragezeichen. So einfach es ist, eine Improvisation zu beginnen, so schwierig ist es, sie zu beenden. Es bedarf innigster musikalischer Verbundenheit, um sich wortlos auf ein Ende zu einigen.
    Wir saßen stumm im Abendsonnenschein, die beiden Männer waren selbst tief berührt. Mozart schien in sie gefahren zu sein. Sie erhoben sich vom Klavier, legten sich je einen Arm um die Schultern und reckten den freien Arm in den Himmel, so als begrüßten sie den geliebten, verehrten Meister da oben. Dann traten sie wortlos durch die Tür, gingen hinaus ans Wasser und den Strand entlang. Julchen trocknete mir die Tränen mit einem Hemdzipfel, wir blickten Karlheinz und Leonard durchs Fenster nach. Sie gingen weit nach Westen, während die Sonne violettrot im Meer versank.
    Später sahen wir sie zurückkommen, sie schienen fast zu tanzen. Ahmten sie gar höfische Tanzschritte nach? Ausgelassen und glücklich setzten sie sich an den Abendtisch. Die Stimmung blieb gehoben, doch die Aufmerksamkeit wurde nun den Kindern gewidmet. Wie ruhig sie doch gewesen seien! Julchen nannte Bernstein später »den Mozart-Mann, der mit Papa gespielt hat«. So endete ein Festtag und bald danach auch unser Ferienmonat zu viert.
    Aber wir vereinbarten gleich eine weitere gemeinsame Zeit im folgenden Jahr. Und so kam Karlheinz noch einmal nach Guilford, von Januar bis April 1969, diesmal zusammen mit Rolf Gehlhaar, seinem Assistenten, der 1967 sein Schüler an der Davis University gewesen war.
    Auch während dieser drei Monate hatten wir wieder viele interessante Besuche. Darunter waren Musiker wie Lukas Foss, Morton Feldman und Luciano Berio, aber auch andere Künstler wie Ray Johnson, Bob Rauschenberg, Allan Kaprow oder Paik. Ein Gespräch mit dem schwedischen Künstlerehepaar Barbro und Öyvind Fahlström ist mir in besonderer Erinnerung. Die beiden wohnten im selben Loft downtown in New York, in dem auch Jasper Johns und Bob Rauschenberg vor ihrer Trennung ein Atelier gehabt hatten. Barbro hatte ihre beiden Kinder bei ihrem ersten Mann in Schweden gelassen, um mit Öyvind in Amerika zu leben. Das fand Stockhausen bemerkenswert, er fragte sie, ob sie sie nicht vermisse. Jeden Sommer lebte sie mit Öyvind drei Monate in Schweden, antwortete sie, dann sähe sie ja die Kinder, ansonsten seien sie bei ihrem Vater und dessen zweiter Frau bestens versorgt. Stockhausen hakte nach, ob sie denn nicht auch mit Öyvind Kinder haben wolle? Da warf dieser ein: »Kinder kann ich mir nicht leisten, ich kann mir ja kaum meine Frau leisten.« Darauf Barbro schlagfertig: »You cannot afford no woman either because she paints half of your pictures«, also: » Keine Frau zu haben, kannst du dir auch nicht leisten, denn sie malt ja die Hälfte deiner Bilder.« Später meinte Karlheinz zu mir, das Opfer, Kinder wegzugeben, würde er einer Frau niemals abverlangen. Eher schon, erst gar keine zu bekommen.
    Ein anderes Mal bekamen wir Besuch von meiner Freundin Edith Sommer aus Deutschland, die bei den Originalen 1961 den Part der Modedame übernommen hatte. Edith war in erster Ehe mit Dieter Rosenkranz verheiratet gewesen, bei dem ich 1963 meine Werke untergestellt hatte, als ich den Neubeginn in New York wagte. Nun hatte Edith den amerikanischen Autor Clifford Irving geheiratet, und gemeinsam besuchten sie uns in unserem Beachhouse.
    Clifford hatte gerade die Biografie Fake! über einen Kunstfälscher veröffentlicht, dem er zuvor auf Ibiza begegnet war. Er berichtete uns, wie es dieser Fälscher namens Elmyr de Hory geschafft hatte, zu einer Legende zu werden: Als einst ein britischer Sammler eine von de Horys Zeichnungen für einen echten Picasso gehalten hatte, war er sich seines Talents bewusst geworden und hatte eine aufsehenerregende Karriere begonnen. Er war imstande, alles zu fälschen, was die Zeitgenossen schätzten, insbesondere Kubistisches, und

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