Ich haette dich geliebt
Glaubst du, wir können es in die Pension tragen?“
Luise nickte entschlossen.
Wir nahmen das Bild ab. Es war wirklich groß und unpraktisch zu tragen. Eine musste vorne anpacken, und eine hinten. Ich schnappte mir noch die blaue Jacke aus dem Flur, ohne einen ersichtlichen Grund für mich selbst zu finden. Dann versuchten wir, so vorsichtig wie möglich die Treppen hinunterzukommen und das Bild in die Pension zu transportieren. Wir gackerten die gesamte Strecke über, und die Passanten schauten uns neugierig an.
Als das Kunstwerk endlich in meinem gemieteten Zimmer stand, sagte Luise, dass ihr das Bild gefalle. Es schaue aus wie eine durchgedrehte Frau.
„Du bist ein schlaues Mädchen. So was ähnliches soll es auch sein – ich habe Hunger. Kann man hier irgendwo richtig gut essen gehen? Für's Kino ist es jetzt ja wohl zu spät.“
Ich schaute in den Spiegel und sah, wie Luise hinter mir das Gesicht verzog und mich nachäffte.
„Du tust ja gerade so, als kämst du aus New York. Du Tussi.Na klar kann man hier auch gut essen gehen. Im ‚Tinto Rosso‘ gibt es sogar Wein, der nicht aus dem Tetra Pak eingeschenkt wird.“
„Glaub ich nicht.“
Ich knuffte Luise in die Seite, und sie schrie auf.
Das Lokal war nichts für meinen Geschmack. Tomate und Mozarella waren ein sicheres Indiz für einen gastronomischen Fehlgriff. Wir stritten eine Weile herum. Ich sei unlocker, sagte Luise, und das traf mich. Denn es stimmte. Irgendwas störte mich immer.
Nach der zweiten Flasche Rotwein war mir das Essen egal geworden, und wir bestellten einen Schnaps, der angeblich aus Sanddorn gemacht wurde. Er schmeckte süßlich, und wir wollten noch einen. Langsam aber sicher wurden unsere Lacher lauter und die Bewegungen ausladender.
Luise fummelte ein kleines flaches Gerät aus ihrer Tasche und steckte einen Stöpsel in mein Ohr. Den anderen in ihr eigenes.
„Kennst du das Lied?“
Irgendeine rauchige Stimme sang ein Duett mit Ray Charles. Luise wiegte ihren Kopf im Rhythmus hin und her, und ich summte schon beim zweiten Refrain mit.
„Love is a killing Game ... la la la.“
Als Luise anfing zu tanzen, bat der Kellner uns zu gehen. Es sei nach eins, und der Laden hätte bereits zu. Wir grölten umher und gaben viel zu viel Trinkgeld. Dann nahmen wir uns bei der Hand und stolperten in die Richtung meiner Pension. Luise wackelte mit dem Hintern und ich vollführte extravagante Tanzschritte.
„Du, ich mag gar nicht nach Hause.“
Luise schüttelte den Kopf wie ein wütendes Kind, das sein Eis nicht bekommt, und wedelte mit ihrem Haar hin und her.
„Komm doch mit, du kannst bei mir schlafen.“
Wir stiegen die Treppen hinauf und bemühten uns, nicht hinzufallen. Luise schrieb ihrem Freund Mikkel eine SMS.
„Mikkel, ist das etwa ein Däne?“
Ich machte mich lustig.
„Ja, du hast es erfasst. Komm, wir tanzen.“
Wir stöpselten den iPod wieder an jeweils ein Ohr und Luise zog mich zu sich heran. Sie roch nach Alkohol und frischer Luft. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter, weg von ihrem Gesicht. Wir drehten uns im Kreis auf der Stelle, ohne den Rhythmus der Musik zu beachten. Ich spürte, wie Luise ihre Lippen auf meinen Hals legte, ohne ihn direkt zu küssen. Ich bekam eine Gänsehaut und lachte. Luise lachte nicht.
Sie fasste in mein Haar, hob meinen Kopf an und küsste mich direkt auf den Mund. Ich wollte etwas sagen, um meine Verlegenheit zu überspielen, aber es kam nichts raus. Der Kuss fühlte sich anders an als sonst. Aber nur anders, wie mit jedem neuen Mann auch. Das überraschte mich. Ich hatte immer gedacht, es würde eine Sensation sein, eine Frau zu küssen.
Als wir auf dem Bett lagen, legte Luise sich hinter mich und umfasste meine Taille. Kurze Zeit später schlief sie ein. Das machte mich wütend, denn ich war zu aufgeregt, um meine Augen länger als zwei Sekunden geschlossen zu halten. Und ich fragte mich, wie man angesichts dessen, was wir gerade erlebt hatten, so seelenruhig einschlafen konnte. Mein Kopf drehte sich vom Schnaps und ich wagte mich nicht zu rühren.
8. Der Kuss
Mein Handy klingelte. Jonas war dran.
„Clara, schläfst du noch oder was? Es ist nach elf.“
„Nein, ich bin wach.“
Das stimmte ja auch irgendwie. Ich versuchte, mich aufzusetzen, und merkte, dass mir schlecht wurde, wenn ich meinen geschundenen Körper auch nur einen Zentimeter bewegte.
„Wann kannst du wieder arbeiten, Clara? Es geht um das Mädchen. Du weißt schon. Alle haben sich
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