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Ich hasse dich - verlass mich nicht

Ich hasse dich - verlass mich nicht

Titel: Ich hasse dich - verlass mich nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Kreisman
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der langsam müde wird und erkennt, dass er bereits die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hat, aber weiterschwimmen muss, bevor er die andere Seite für eine Erholungspause erreicht.
    Zu diesem Zeitpunkt muss der Borderline-Patient sich auch mit seiner Eigenständigkeit auseinandersetzen und erkennen, dass er und nicht der Therapeut diese Änderung bewirkt hat. Wie der fliegende Elefant Dumbo, der seine Fähigkeit zu fliegen zuerst auf sein »magisches Gefieder« zurückführt, aber dann erkennt, dass es sein eigenes Talent ist, muss die Borderline-Persönlichkeit die eigenen Fähigkeiten erkennen und selbstständig leben. Und sie muss neue Bewältigungsmechanismen entwickeln, die die alten, die nicht mehr funktionieren, ersetzen.
    Wenn es der Borderline-Persönlichkeit besser geht, verringert sich die Intensität der Übertragung. Zorn, impulsive Verhaltensweisen und Stimmungsschwankungen – oft auf den Therapeuten gerichtet oder speziell für ihn inszeniert – lassen nach. Panikhafte Abhängigkeit geht langsam zurück und wird durch wachsendes Selbstvertrauen ersetzt. Es kommt nicht mehr so oft zu Wutausbrüchen, und die Entschlossenheit, für das eigene Leben verantwortlich zu sein, wächst. Ungeduld und Launenhaftigkeit werden geringer, da der Betroffene ein getrenntes Identitätsgefühl entwickelt, das sich ohne Bedürfnis nach parasitärer Bindung entwickeln kann.
    Gegenübertragung
    Der Begriff Gegenübertragung bezieht sich auf die emotionalen Reaktionen des Therapeuten auf den Patienten. Sie basieren mehr auf der Erfahrung und den Bedürfnissen des Therapeuten in der Vergangenheit als auf realistischen Betrachtungsweisen. Ein Beispiel dafür ist der Arzt, der den Patienten als bedürftiger und hilfloser wahrnimmt, als es wirklich der Fall ist, weil der Arzt sich als fürsorglich und mitfühlend wahrnimmt und Konfrontation vermeidet.
    Die Borderline-Persönlichkeit nimmt andere Menschen, den Therapeuten nicht ausgenommen, oft sehr genau wahr. Diese Sensibilität provoziert oft die eigenen ungelösten Gefühle des Therapeuten. Das Bedürfnis des Arztes nach Anerkennung, Zuneigung und Kontrolle kann ihn bisweilen zu unangemessenem Verhalten veranlassen. So schützt er möglicherweise einen Patienten zu stark und ermutigt Abhängigkeitsgefühle. Vielleicht kontrolliert er zu sehr und fordert, dass der Patient sich nach seinen Anweisungen richtet. Möglicherweise beklagt er sich über eigene Probleme und verleitet den Patienten dazu, sich um ihn zu kümmern. Er könnte dem Patienten Informationen für finanziellen Gewinn oder zum bloßen Kitzel entlocken. Vielleicht beginnt er sogar eine sexuelle Beziehung mit dem Patienten, um ihn »Intimität zu lehren«. Der Therapeut mag all diese Dinge als notwendig für einen »sehr kranken« Patienten erachten, aber in Wirklichkeit befriedigt er damit seine eigenen Bedürfnisse. Diese Gefühle von Gegenübertragung führen zu den häufigsten Beispielen unethischen Verhaltens zwischen einem zuverlässigen Arzt oder Therapeuten und dem Patienten.
    Der Borderline-Patient kann im Therapeuten Gefühle von Zorn, Frustration, Selbstzweifel und Hoffnungslosigkeit wachrufen, die seine eigenen Gefühle widerspiegeln. Zu Emotionen angespornt, die seinen beruflichen Selbstwert herausfordern, kann der Therapeut durch die Gegenübertragung echten Hass auf den Patienten entwickeln und glauben, dass dieser nicht zu behandeln sei. Die Behandlung der Borderline-Persönlichkeit kann so aufreibend sein, dass der Begriff »Borderline« bisweilen von psychologischen Fachkräften als Schimpfwort für Patienten verwendet wird, die besonders irritierend sind und auf eine Therapie nicht gut ansprechen. In diesen Fällen spiegelt »Borderline« eher die Gegenübertragungsfrustration des Therapeuten wider als eine wissenschaftliche Diagnose.
    Die »Passform« von Patient und Therapeut
    Alle in diesem Buch beschriebenen Behandlungsmethoden können für den Borderline-Patienten produktiv sein, selbst wenn keine einzelne therapeutische Technik bisher in allen Fällen zur Heilung geführt hat. Der einzige Faktor, der bisher konstant mit Verbesserungen in Beziehung gebracht werden kann, ist die Beziehung zwischen Patient und Therapeut, die von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet ist.
    Selbst wenn ein Arzt bei der Behandlung von einem oder mehreren Borderline-Patienten erfolgreich ist, bedeutet dies bei der Behandlung weiterer Patienten nicht automatisch Erfolg. Der Faktor, der in erster Linie

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