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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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einfach: »Nein, ich habe hier zu tun. Ich muss die Erdnussflips aneinanderkleben.«
    Zur Demonstration nahm ich zwei Flips, biss ein winziges Stück ab, benetzte die Enden sorgsam mit meiner Spucke und klebte sie aneinander. Damit, dachte ich, würde ich den Tanzwütigen schon verscheuchen. Ich konnte nicht wissen, dass es sich bei ihm nicht um einen gewöhnlichen Zwölfjährigen handelte, sondern um einen dreizehnjährigen Perversling. Er sagte doch tatsächlich: »Oh, das ist interessant. Du hast echt Ideen. Ich kann auch nicht tanzen, ich bin steif.«
    Mir stockte der Atem. Von solchen Fällen war mir noch nicht berichtet worden. Mir war bekannt, dass Jungs so etwas ab und an bei intensivem Körperkontakt passiert, sie dann hochrot werden und im Zweifelsfall den Raum verlassen. Besonders abgefeimte Partyluder machten sich angeblich einen Spaß daraus, Jungs erst rot zu machen und dann laufen zu lassen . Ich saß da im Dunklen mit einem Typen, der offensichtlich stolz darauf war, sich nicht unter Kontrolle zu haben. Er musste wahnsinnig sein – oder schon vierzehn.
    Ich griff in die Flipstüte, stopfte mir eine Handvoll in den Mund, spuckte sie wieder aus und begann, kleine Tierchen aus dem Brei zu formen. Ich musste den Lustgreis irgendwie wegekeln. Der aber sagte: »Ich mach auch immer so was. Alle Mädchen, die ich kenne, finden das dann ekelig. Oder vielleicht mögen die mich nicht, weil ich immer steif bin …«
    Ich spuckte den Rest der Flips in die Cola-Flasche, schüttelte die Flasche und hielt sie meinem Peiniger direkt vors Gesicht. Der Typ war wirklich krank.
    Er sagte: »Oh, sieht aus wie Sea Monkeys. Du bist schon eine! Ich find’ es toll, dass du so normal zu mir bist, obwohl ich seit einem halben Jahr schon so steif …«
    »Ein halbes Jahr schon?«, schrie ich. Alles, was man mir über Jungs erzählt hatte, war also maßlos untertrieben gewesen. Vor lauter Entsetzen ließ ich die Flasche los, der ganze Brei landete auf meinem guten Oilily -Pullover; ich konnte nie wieder nach Hause gehen. Also heulte ich. Das endlich verstörte den geilen Bock.
    »Du musst doch nicht weinen deswegen. Die Ärzte sagen, es verheilt alles gut. In acht Wochen bin ich das Stützkorsett wahrscheinlich los.«
    Stützkorsett?! Ich vergaß zu heulen. Ich schaute mir den Lüstling genauer an. Er war ein ganz normaler Zwölfjähriger mit vier dicken Schrauben am Hals.Und dadurch war er etwas steif. Ich wurde hochrot und wollte den Raum verlassen.
    Der steife Junge hielt mich auf: »Hey, was ist mit deinen Flips? Soll ich dir nicht beim Zusammenkleben helfen?«
    Na ja, es war erst acht Uhr, der Schlabber auf meinem Pulli musste trocknen. Sehr patent, wenn auch etwas steif, legte Sebastian Marowinsky ihn auf die Heizung. Mein T-Shirt war einigermaßen cool, ich musste nicht tanzen und fühlte mich eigentlich ganz super. Sebastian und ich leckten die Flips abwechselnd an und klebten sie zusammen. Bis halb elf hatten wir eine 1,40   m lange Flipsstange gebastelt.
     
    Man kann wohl sagen, dass ich die einzige Zwölfjährige in der gesamten Nachbarschaft war, die Körperflüssigkeiten ausgetauscht hatte, ohne vorher lächerliche Tanzspielchen vollführt zu haben. Sebastian blieb übrigens noch vier Monate lang steif, denn bei dem Versuch, mir einen Abschiedskuss zu geben, hat er sich auch noch den vierten Halswirbel ausgerenkt.
    Vielleicht sollte man in dem Alter besser nur im Sitzen knutschen.

Wenn gar nichts mehr geht, kann man sich mit Männern auch noch unterhalten. Über Filme zum Beispiel. Bei öden, als Partys getarnten Veranstaltungen, umgeben von fremden Typen, von denen man sich normalerweise nichts mehr wünscht, als dass sie fremd bleiben.
    Aber dann kommt er, der berühmte Augenblick nach dem achten Drink, wenn der Dame von Welt plötzlich glasklar bewusst wird, dass sie nicht mehr bei glasklarem Bewusstsein ist. Sie droht, nostalgisch und milde zu werden, verzeiht dem einen oder anderen Knaben schon seine misslungene Haarfrisur und verfällt für Bruchteile einer Sekunde der Idee, bei dem saudämlichen Gebrabbel, das die viehdummen Kerle so von sich geben, einfach mal nur auf die Melodie oder im schlimmsten Fall nur auf den Basslauf zu hören, um sich so überwinden zu können, einem oder zweien von den Jungs einen eindeutigen Blick zuzuwerfen, der besagt: »Komm, wir teilen uns ein Taxi. Du zahlst, ich fahr mit.«
    Aber die Dame von Welt kann nicht jeden Schwachsinn einfach übervögeln, sie hat auch noch

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