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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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hervor.
    Ich verlor keine Zeit und ließ mir sogleich eine Anzahl von Räumen für meine Zwecke herrichten. Sie mussten völlig abseits der königlichen Gemächer liegen, fern von all meinen wachsamen Bediensteten. (Bessies Vater, Sir John Blount, diente mir als Leibjunker; er war einer von denen, die mir die Kleider anlegten und auszogen. Ich fühlte, dass es unschicklich gewesen wäre, ihn am Leibe des Mannes, dem er diente, die Kussspuren sehen und den Weibsgeruch seiner eigenen Tochter riechen zu lassen.) Meine amour Gemächer lagen nicht weit von Wolseys Suite, und sie bestanden aus einem kleinen Speiseraum, einer Ankleidekammer und einem Schlafgemach. Mein Schlosser versah die Eingangstür mit einem Schloss, für das es nur zwei Schlüssel gab, einen für mich und einen für Bessie.
    Bessies Dienst begann um die Zeit des Mittagsmahls, dessen formelle drei Gänge in Katharinas privatem Speisezimmer serviert wurden, und dauerte bis zur Vesperzeit um fünf Uhr; bis dahin hatte sie Katharina Gesellschaft zu leisten, sie mit Musik zu unterhalten und ihr vorzulesen. Um diese Zeit gab es mancherlei Handarbeit zu verfertigen: Neue Kleider für das Kind waren zu besticken, dessen Geburt nun dicht bevorstand. Katharina hatte sich geweigert, irgendetwas von Prinz Heinrich zu benutzen; in ihrer Trauer hatte sie alles fortgeräumt.
    Täglich ging ich mit Katharina zur Vesperandacht; ich kniete dann neben ihr und sah mit Stolz auf das Kind, das sie im Leibe trug. Ich war fähig, für sie zu beten, ihr liebevoll die Hand zu drücken, Zärtlichkeit für sie zu empfinden … und mir gleichzeitig vorzustellen, wie Bessie sich für unser Stelldichein rüstete, wie sie den Wein erwärmte, sich das Haar zu dem verschlungenen Knoten schürzte, den ich zu lösen so liebte, und wie sie sich Parfüm in die Beugen von Ellbogen und Knien tupfte … oh, ich war verflucht, ich war böse, und doch begehrte ich das alles. Nie war mir wohler als in dem Augenblick, da ich mich von Katharinas Kapelle geradewegs zu Bessies Gemächern begab, auf dass den Worten des Gebets aus meinem Munde unverzüglich Worte der Fleischeslust folgten.
    Es gab keine Überleitung, keine höfliche Begrüßung. Mit unschicklicher Hast beeilten wir uns, aneinander Befriedigung zu finden, Bessie ebenso wie ich. Nach nur zwei oder drei Begegnungen hatten wir uns beide verändert, und aus täppischen, befangenen jungen Menschen waren schamlose Lüstlinge geworden.
    Soll ich hier berichten, wie wir uns vergnügten? Soll ich mich quälen, indem ich mich an Großtaten erinnere, die niemals mehr zu wiederholen ich erhoffen kann? Wir verbargen Süßigkeiten an unseren traulichsten Orten, die (so schrieb es die Regel vor) nur mit der Zunge, niemals mit den Fingern hervorgeholt werden durften … Wir beobachteten uns im Spiegel, sahen zu, wie Heinrich und Bessie hundertfach sich paarten, im Fenster dort im Spiegel dort im Fenster dort im Spiegel … Wir trugen Masken, und ich war ein Wilder und sie Diana … Ich drang in sie ein, und wir drehten die Sanduhr um und zählten, wie viele Male wir zum Höhepunkt gelangten, zusammen und auch jeder für sich … Und einmal bedeckte ich ihren nackten Körper mit Katharinas Juwelen, und dies, seltsam, kam mir vor wie das Höchstmaß des Ehebruchs …
    Wenn all das vorüber war, pflegten wir eine leichte Erfrischung zu uns zu nehmen, die uns ein Diener mit trüben Augen brachte, und dann trennten wir uns beinahe wortlos, nur um unser Tun am nächsten Tag oder wenigstens so bald wie möglich zu wiederholen.
    Am Abend las ich empfangene Botschaften, besprach mich mit Wolsey und spielte mit meinen Gefährten und den Bediensteten der königlichen Gemächer, unter ihnen auch Bessies Vater. Ich fühlte mich vollständig und vermindert zugleich, als führte ich nur ein halbes Leben und gleichzeitig ein weiteres, anderes halbes dazu. Ich liebte und verabscheute meine Sünde, sah sie mit Genuss und mit Ekel. Meine Spielverluste steigerten sich; ich konnte den Karten keine rechte Aufmerksamkeit zukommen lassen, noch hielt ich meine Neigung im Zaum, den Einsatz ins Uferlose wachsen zu lassen. Keines dieser alltäglichen Dinge schien noch Bedeutung zu haben.
    Maria war mit einem vollständigen Hofstaat nach Frankreich abgereist, versehen mit prachtvoller Aussteuer und großem Gefolge. Sogar Kinder waren zu Pagen und Ehrenjungfern ernannt worden. Die beiden Seymour-Knaben, neun und sechs Jahre alt, und Thomas Boleyns zwei Töchter, die zehn und

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