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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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sieben waren, befanden sich an Bord eines der vierzehn »Großschiffe« in Marias Flottille.
    Es war eines Abends spät, in Wolseys Gemächern, als ich ihn zum ersten Mal las, den Namen. Diesen Namen. Ich hatte die Liste flüchtig überflogen.
    Nan de Boleine.
    »Wer ist das?«, murmelte ich. Ich war erschöpft vom Nachmittag mit Bessie, und ich brauchte Schlaf.
    »Die kleine Boleyn.«
    »Weshalb zum Teufel diese affektierte Schreibweise? Ich hätte den Namen nicht erkannt.«
    »›Boleyn‹ ist eine affektierte Schreibweise«, erläuterte Wolsey. »Der Familienname lautet ursprünglich ›Bullen‹. Aber ›Boleyn‹ oder ›Boleine‹ sieht vornehmer aus.«
    »Wie Wolsey für ›Wulcy‹?«, grunzte ich. »Diese ganze Namensänderei ist frivol. Ich mag das nicht. Also sind nun beide Töchter Boleyns fort? Und Seymours beide Söhne? Es wird bald keine jungen Leute mehr geben, die hier aufwachsen und an unserem Hofe dienen können.«
    »Den Eltern war sehr daran gelegen, dass ihre Kinder sich französische Manieren aneignen.«
    Gott, wie das schwärte! Wie lange würde die Welt noch auf Frankreich schauen, wenn es um Eleganz und Stil ging? Ich war entschlossen, diese Stellung mit meinem Hofe zu erobern. »König Ludwigs Hof ist so lebhaft wie ein Grashüpfer im November«, schnaubte ich. »Nichts werden sie da lernen.«
    »Sie werden am Schattenhof lernen, dem ein gewisser Franz Valois vorsteht, der Duc d’Angoulême. Wenn Maria ihrem Ludwig keinen Erben schenkt, wird Franz der nächste König von Frankreich sein. Er hält bereits Hof und übt sich darin. Von ihm werden die kleinen Boleyns und Seymours lernen, nicht von Ludwig.«
    »Aber Franz’ Gemahlin, Ludwigs Tochter Claude, ist ebenso eine Heilige wie Katharina, heißt es.« Die Müdigkeit ließ meine Zunge unvorsichtig werden. »Da kann es kaum stilvoll zugehen.«
    »Madame Claude wird ignoriert. Seine Geliebte ist es, die den Ton angibt.«
    Öffentlich? Seine Mätresse führte in der Öffentlichkeit den Vorsitz? »Was ist das für ein Kerl, dieser Franz aus dem Hause Valois?«
    »Er hat viel Ähnlichkeit mit Euch, Eure Majestät.« Diese Anrede hatte Wolsey kürzlich für mich eingeführt; er meinte, »Euer Gnaden« teilte ich mit Herzögen, Erzbischöfen und Bischöfen, aber ein Monarch brauche eine eigene Anrede. Mir gefiel es. »Athletisch, gebildet, ein Mann mit Kultur.« Er schwieg kurz. »Es heißt, sein Ruf sei überdies mit dem Makel der unersättlichen Wollust behaftet.«
    »Schon? Wie alt ist er denn?«
    »Zwanzig, Eure Majestät.«
    »Und seine … Aufmerksamkeiten sind stets willkommen?«
    »Nicht allgemein, Eure Majestät. Er ist aber über die Maßen hartnäckig, sagt man, und er lässt nicht nach, wenn er sich eine zur Beute ausersehen hat. Als der Bürgermeister der Stadt Marseille ihm die Schlüssel der Stadt überreichte, fand er Gefallen an der Tochter des Bürgermeisters; diese aber, ein ehrliches Weib, fühlte sich von seinem Aussehen und seinem Benehmen abgestoßen und wies ihn ab. Er versuchte, sie zu zwingen. Ihre Abscheu aber war so groß, dass sie ihr Gesicht über Schwefelsäuredünste hielt und so ihre Haut ruinierte. Erst als sie entstellt war, ließ Franz von ihr ab!«
    »Eine tragische Erlösung«, befand ich. »Denn nun ist sie entstellt für alle Zeit.« Ich betete, dass Maria einen Sohn bekommen und Frankreich ein solcher Herrscher erspart bleiben möge.
    Ich warf einen Blick auf Wolseys mit Papieren überhäuftes Pult neben dem Feuer. »Und wie steht es mit Eurem Lustschloss?«, fragte ich. Der Tisch war nämlich Dokumenten vorbehalten, die mit Hampton Court in Zusammenhang standen.
    »Sehr gut. Eben werden Abflussrohre und Wasserleitungen gelegt. Mein Wasser wird aus den Quellen von Coombe Hill kommen, bei Kingston unter der Themse hindurchgeführt werden und auf meinem Grund wieder zutage treten. Das ist eine Strecke von dreieinhalb Meilen. Ich wäre entzückt, wenn Ihr im nächsten Frühling einmal kommen könntet, um Euch die Bauarbeiten anzusehen. Wir könnten bei Richmond übersetzen, in Teddington die Pferde wechseln, und dann ist es nur noch ein Galopp durch den Wald.«
    »Es hat keinen Sinn, zweimal über die Themse zu setzen. Die Straße von Kingston nach Richmond ist doch sicher, oder etwa nicht?«
    Sein Gesicht nahm einen merkwürdigen Ausdruck an. »Ich reise nicht durch Kingston.«
    »Warum nicht? Es ist jedenfalls der kürzeste Landweg.«
    Er stand auf und tat, als müsse er die Holzscheite im Kamin

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