Ich, Heinrich VIII.
waren jung und unverheiratet. Ja, es wurde Zeit, dass ich mir eine Geliebte suchte. Zu lange hatte ich gesäumt, mich eines königlichen Vorrechts zu bedienen. Eines königlichen Vorrechts? Ich schaute zu Brandon hinüber, der seine Partnerin anlächelte und aussah wie Bacchus. Es war das Vorrecht eines Mannes. Es bedurfte keiner Rechtfertigung durch den Rang.
Da war die reizende kleine Kate aus Kent, eine Nichte Edward Bayntons. Sie war leicht wie ein Gazeschleier, bunt wie ein Schmetterling und ebenso unbedeutend. Da war Margery, ein Mädchen aus dem Hause Howard mit rabenschwarzem Haar, eine Verwandte des Herzogs von Norfolk, mit einem großen Busen und wurstförmigen Fingern. Da war Jocelyn, eine entfernte Cousine, mit mir verwandt über das Haus Bourchier in Essex. Aber sie war ein dünnes Geschöpf von eindringlicher Art, und überdies war es nicht gut, sich mit der Verwandtschaft einzulassen.
Da stand eine Persephone, nicht weit von Lord Mountjoy entfernt.
Mein Herz wurde still, als ich sie gewahrte. Ich schwöre, mein erster Gedanke war der an Persephone, wie ich sie mir vorgestellt hatte, seit ich die Sage das erste Mal gehört – eine liebreizende Nymphe mit rotgoldenem Haar und rosigen Wangen und einem weißen, schlichten Kleid. Sie pflückte Blumen und spielte selig am Ufer des Flusses … und entfachte, ohne es zu wissen, die Wollust im lauernden Gotte der Unterwelt.
Wir tanzten. Sie tanzte wie ein begabtes Kind, voller Fröhlichkeit und Hingabe. Hingabe … ja, danach sehnte ich mich: nach Hingabe bei meiner Bettgefährtin. Ich wusste, so würde sie sein: Sie würde unbefangen geben und nehmen. So brennend gelüstete es mich nach ihr, dass jeder Muskel meines Körpers bebte. Jetzt, jetzt, jetzt gleich musste es sein, nicht einmal eine Stunde könnte ich noch warten … aber ich musste warten, musste die Tänze ertragen, die noch kamen, und die anderen Partnerinnen, und die Reden, und die Verabschiedungen, und das langwierige Löschen dieser Unmassen von Kerzen …
»Mistress, Ihr tanzt gut«, sagte ich leise. »Vielleicht hättet Ihr Lust, wieder mit mir zu tanzen – ungestört?« Wie absurd! Ich kannte die vorschriftsmäßige Methode nicht, wusste nicht, was man zu sagen hatte. Brandon wusste das alles; er war ein geübter Lüstling. Ich war unwissend wie ein Kind.
Sie sah mich spöttisch an. »Wann immer Ihr mich rufen lasst.«
»Das kann schon heute Nacht geschehen.« War das deutlich genug? Hätte Brandon auch so gesprochen?
»Ich muss mit meinem Onkel gehen«, sagte sie zögernd. Da wusste ich plötzlich: Sie war ebenso ungeübt in den Regeln dieser Kunst wie ich. War ihr denn nicht klar, dass ich der Herr ihres Onkels war?
»Wer ist Euer Onkel?«
»Lord Mountjoy, William Blount.«
Katharinas Kämmerer! Und befreundet mit Erasmus und den anderen humanistischen Gelehrten! Unpassender hätte meine Wahl nicht ausfallen können. Aber sie war so reizend. Wie sollte ich ihr nun nicht mehr nachstellen?
»Oh, Mountjoy.« Ich wedelte großartig wegwerfend mit der Hand. »Und wie ist Euer Name?« Aber ehe sie antworten konnte, hatte ich ihn mir im Stillen schon gesagt.
»Bessie Blount, Euer Gnaden.«
»Ihr habt zu tanzen gelernt«, sagte ich leise. »Und Gefallen am Hof habt Ihr auch gefunden. Ich bin froh, dass Ihr Eure Schönheit nun doch nicht in Lincolnshire versteckt.«
»Ich auch, Euer Gnaden. Obgleich ich … bis jetzt nicht sicher war, dass ich recht getan habe, hier zu bleiben.«
So einfach war alles zu regeln. Und uns beiden war bewusst, was erbeten und was gewährt worden war, und wir beide spürten, welches gewaltige Versprechen über uns schwebte.
Oh, würde dieser Ball denn niemals enden?
Dabei wusste ich nicht einmal, wohin wir gehen sollten. Ein gewitzter Libertin hätte stets Gemächer zur Hand gehabt und wäre so aus dem Stegreif zu jeder Tändelei bereit gewesen. Ich hatte nichts dergleichen. Die königlichen Gemächer waren alles andere als privat. Um in mein Schlafgemach zu gelangen, würden wir unterwegs die Aufmerksamkeit von mindestens zwanzig Bediensteten auf uns lenken. Mit meinem rechtmäßigen Weibe war dies nie ein Problem gewesen. Jetzt aber brachte es mich unversehens in arge Verlegenheit.
Wir fanden einen Platz in einer kleinen Kammer hinter der Musikantengalerie, wo die Instrumente gelagert wurden und wo die Kapellen oft übten. Ein Ruhebett gab es hier und Schemel, Kerzen und Fackeln. Ich entzündete eine Kerze und damit eine Fackel. Wir sahen uns
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