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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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kein Ende. Wie aus einem nie versiegenden Quell strömten Verräter und Unzufriedene. Was Vater auch tat, es gab immer irgendwo welche, denen es nicht recht war und die sich zu seinem Umsturz verschworen.
    Es ließ ihn schließlich bitter werden. Jetzt sehe ich es, und ich verstehe es auch. Sie hatten ihm seine Jugend genommen (»Seit ich fünf Jahre alt war, bin ich entweder auf der Flucht oder in Gefangenschaft gewesen«, hat er einmal gesagt), und selbst als man hätte meinen sollen, dass er sich sein Anrecht auf Frieden nun erworben habe, ließen sie ihn nicht in Ruhe. Sie waren entschlossen, ihn vom Thron zu vertreiben oder ins Grab zu schicken.
    Vater heiratete die Tochter seines Erzfeindes. Er hasste Edward IV ., aber er hatte in der Kathedrale von Rennes in einem heiligen Eid geschworen, dass er sich, sollte seine Invasion in England erfolgreich verlaufen, mit Elisabeth, Edwards Tochter, vermählen werde.
    Warum? Einfach weil sie den Anspruch der Yorkisten als Erbin vertrat, wie er den der Lancasterianer. Er hatte sie nie gesehen, und er wusste auch nichts über sie. Sie hätte bucklig oder scheel oder pockennarbig sein können. Aber die Heirat mit ihr bedeutete das Ende der Kriege. Alles andere scherte ihn nicht.
    Wie gesagt, er verachtete Edward IV . Und warum auch nicht? Edward hatte versucht, ihn meucheln zu lassen. Edward hatte seinen Großvater Owen ermordet. Und doch wollte er seine Tochter heiraten … Er hatte die Zeiten durchschaut. Man ermordete Menschen, und es war, als pflege man seinen Garten: Man beschnitt zarte Sprösslinge oder hieb einen ganzen Stamm um, je nachdem, welche Pflanze man für die kommende Wachstumszeit als Bedrohung ansah.
    Ich habe all dem ein Ende gemacht. Heute wird in England niemand mehr verstohlen getötet. Es gibt keine Kopfkissenmorde mehr, keine Giftmischereien, keine mitternächtlichen Messerstiche. Ich zähle es zu den großen Erfolgen meiner Regentschaft, dass es mit dieser Barbarei für immer vorbei ist.
    Aber ich sprach von Vaters Heirat. Elisabeth, Edwards Tochter, wurde aus ihrer Zuflucht herbeigebracht (sie und ihre Mutter hatten sich vor den Rasereien Richards III . versteckt) und ihm als Teil der Siegesbeute übergeben.
    Und so vermählte Elisabeth von York sich mit Heinrich Tudor. Königliche Künstler schufen ein spezielles Emblem für sie: die so genannte Tudor-Rose, die das Rot von Lancaster und das Weiß von York in sich vereinigt. Nicht einmal ein Jahr später hatten sie ihren ersehnten Erben: Arthur. So tauften sie ihn, um alle von »Ansprüchen« besetzten Namen zu meiden (Heinrich für das Haus Lancaster, Edward und Richard für York) und sich auf den legendären König Arthur zurückzubesinnen. Das würde niemanden beleidigen, und es versprach manches Gute.
    Es folgten andere Kinder. Nach Arthur kam Margaret (nach der Königinmutter). Dann ich (es war ungefährlich, dem dritten Kind einen Lancasternamen wie Heinrich zu geben). Nach mir kam Elisabeth. Dann Maria. Dann Edmund. Dann … nein, ich weiß ihren Namen nicht mehr, wenn sie überhaupt einen hatte. Sie lebte nur zwei Tage.
    Vater war neunundzwanzig, als er heiratete. Mit vierzig hatte er noch vier lebende Kinder – zwei Prinzen und zwei Prinzessinnen –, und damit schien das Überleben seiner neuen Dynastie gesichert zu sein.
    Ich habe gehört, mein Vater sei stattlich und beliebt gewesen, als er den Thron bestieg. Die Leute sahen in ihm einen Abenteurer, und Raubeine und Helden haben die Engländer schon immer geliebt. Sie jubelten ihm zu. Aber im Laufe der Jahre ließ der Jubel nach, er war wohl doch nicht, was sie erwartet hatten. Er war nicht gutmütig wie Edward, noch war er rau und offenherzig, wie ein Soldatenkönig es zu sein hatte. Ja, im Grunde dachte er überhaupt nicht wie ein Engländer, denn den größten Teil seines Lebens hatte er außerhalb des Landes verbracht – oder in Wales, was genauso schlimm war. Er war misstrauisch gegen die Menschen, und diese fühlten es und entzogen ihm schließlich ihre Zuneigung.
    Ich beschreibe Vater hier, wie ein Historiker es täte, der versucht, festzustellen, wie Vater aussah und wie er regierte. Als Kind sah und verstand ich natürlich von all dem nichts. Vater war ein großer, dünner Mann, den ich nur selten sah, und niemals allein. Manchmal erschien er dort, wo wir – die vier Kinder – wohnten, und stattete uns unangemeldet seinen Besuch ab. Wir hassten diese Besuche. Er ging dann umher wie ein General, der seine Truppen

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