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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Tennis.
    Ich weiß, eine solche Behauptung betrachtet man mit Argwohn. Sie haben ihn gewinnen lassen, wird man sagen. Den Prinzen oder den König lässt man immer gewinnen. Aus eben diesem Grunde nahm ich, so oft es ging, inkognito an Wettkämpfen teil. Selbstverständlich haben mir meine Feinde auch das verdreht und behauptet, nur kindische Lust an der Verkleidung habe mich dazu veranlasst. Doch nein. Auch ich wollte mich erproben, und aus einem Wettkampf, den ich etwa gesteuert wähnte, gewann ich keine Befriedigung. Herr im Himmel! Hat ein Prinz vielleicht keine Ehre? Würde ein Prinz Gefallen daran finden, dass man ihn gewinnen »ließe«? Weshalb nehmen die Leute an, ein Prinz habe weniger Ehrgefühl und weniger Kenntnis von sich als sie selbst? Ein athletischer Wettstreit ist vor allem eine Prüfung – eine kurze, saubere Prüfung. Sogar dies wollen sie mir noch streitig machen und mir meine Erfolge auf dem Feld meiner Jugend verfinstern.
    Aber ich schweife ab. Die Rede war von unseren zahmen kleinen Übungen auf dem Schlossgelände, nicht von späteren Turnieren und Wettkämpfen, an denen ich teilnahm. Arthur waren körperliche Ertüchtigungsübungen verhasst, und er suchte ihnen aus dem Weg zu gehen. Margaret und ich waren einander körperlich am ähnlichsten; sie war vor allen anderen meine Gefährtin beim Klettern auf den Bäumen und beim Schwimmen im Schlossgraben. Sie war drei Jahre älter als ich und ganz und gar furchtlos – ich sollte wohl sogar sagen, bedenkenlos. Sie überlegte nicht einen Augenblick lang, ehe sie sich über einen Zaun stürzte oder ihr Pony zum Sprung antrieb oder eine wilde Beere verkostete. Die Leute haben mich bezichtigt, furchtlos und bedenkenlos zu sein, aber das bin ich nicht, und ich war es auch nie. Schon früh habe ich dies über mich gelernt, indem ich Margaret zusah. (Und später, als Königin von Schottland, benahm sie sich, wie sie sich als Kind in den Mauern von Eltham benommen hatte. Unbeherrscht, und letztendlich verheerend.)
    So ähnlich Margaret und ich einander körperlich waren, so glichen Maria und ich einander im Geiste. Wir waren ganz einfach aus demselben Holz geschnitzt und verstanden einander instinktiv.
    Keiner von uns war wie Arthur, und er war nicht wie einer von uns … erhaben, einsam und ernst.

III
    Z um Hofe kamen wir Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Ich pflegte die Monate dazwischen zu zählen. Weihnachten war mir am liebsten, und die langen Monate dazwischen (sechs oder sieben, je nachdem, wie früh Pfingsten kam) schienen nicht enden zu wollen.
    Margaret und ich, wir sehnten uns natürlich am meisten danach, zum Hof zu kommen. Margaret, weil sie dann neue Kleider bekam, verwöhnt wurde und mit Geschenken und Leckereien bedacht wurde. Und ich? Aus den gleichen Gründen, ja. Aber vor allem, weil ich dann die Königin, meine Mutter, zu sehen bekam. Und vielleicht, vielleicht … ich brachte den Gedanken nie zu Ende, und ich kann es nicht einmal jetzt.
    In dem Winter, als ich sieben Jahre alt war, entschied der König, das Weihnachtsfest in Sheen Manor zu feiern. Ich war dort noch nie gewesen, oder ich konnte mich doch nicht erinnern. Es war eines der älteren Schlösser, stromaufwärts an der Themse gelegen.
    Es war schon früh Winter geworden in diesem Jahr; Anfang Dezember war der Boden schon seit zwei Wochen gefroren und mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt.
    Auf der Reise von Eltham nach Sheen kamen wir nur langsam voran; wir brauchten den ganzen Tag, um die sechzehn Meilen zurückzulegen. Diejenigen unter uns, die zu Pferde waren, konnten nicht galoppieren, denn sie mussten mit zwölf schweren Karren Schritt halten, die unsere Habe beförderten. Erst am späten Nachmittag erreichten wir den großen Wald von Richmond. Hier war königliches Jagdrevier, und es gab Hirsche und Rehe und Wildschweine. Aber das laute Gerumpel unserer Karren verscheuchte das Wild, und ich bekam nichts zu sehen, als wir hindurchzogen.
    Und dann hatten wir den Wald hinter uns und blickten auf die Themse hinunter, eine kleinere, seichtere Themse als die zu Greenwich, gelb überflutet von den schrägen Strahlen der untergehenden Sonne, und längs des Wassers erhoben sich die Ziegeltürme von Sheen Manor.
    Trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, bis wir das Haus erreicht hatten. Die mächtigen Karren mussten beim Abstieg gebremst werden und schwankten so noch langsamer voran. Ich schaute zu Margaret hinüber.
    »Wollen wir galoppieren?«, fragte sie, wie ich es

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