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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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inspizierte, und stellte uns Aufgaben in Latein oder Rechnen. Meistens war seine Mutter, Margaret Beaufort, bei ihm, eine winzige Frau, die stets schwarz gekleidet war und ein spitzes Gesicht hatte. Mit acht Jahren war ich so groß wie sie und konnte ihr geradewegs in die Augen schauen; aber ich mochte ihre Augen nicht. Sie waren glänzend und schwarz. Sie war es, die immer die spitzesten Fragen stellte, und die Antworten empfand sie dann als höchst unbefriedigend, denn sie bildete sich ein, eine Gelehrte zu sein, und hatte sogar ihren Mann für eine Weile verlassen, um in einen Konvent zu ziehen, wo sie den lieben langen Tag lesen konnte.
    Sie war es auch, die unsere Lehrer auswählte und für unsere Erziehung zuständig war. Die besten Lehrer bekam natürlich Arthur; die zweitrangigen standen uns zu Diensten. Den einen oder anderen teilte ich gelegentlich mit Arthur. Bernard Andre unterrichtete uns beide in Geschichte, und Giles D’Ewes lehrte uns Französisch. Und John Skelton, der poeta, laureatus, war erst Arthurs Lehrer und wurde später der meine.
    Skelton war ein liederlicher Priester, und wir beide fassten sofort Zuneigung zueinander. Er schrieb grobe Satiren und hatte eine Geliebte; ich fand ihn wundervoll. Bis dahin hatte ich angenommen, ein Gelehrter müsse so sein wie meine Großmutter Beaufort. Das Schwarz, der Konvent, die Bücher – das alles war in meiner Vorstellung miteinander verknüpft. Skelton zerhieb diesen Knoten. Später, unter meiner eigenen Regentschaft, wurde die Gelehrsamkeit völlig von den Konventen und Klöstern befreit. (Und zwar nicht bloß, weil ich die Klöster schließen ließ!)
    Wir studierten Latein, natürlich, aber auch Französisch, Italienisch, Mathematik, Geschichte, Dichtkunst. Mich versah man mit einem besonders umfangreichen Pensum an Heiliger Schrift, Theologie und Kirchengeschichte, da ich ja bereits für die Kirche vorgesehen war. Nun, man kann nie genug lernen. Ich machte mir dieses Wissen später gründlich zunutze, wenn auch auf eine Weise, die meine fromme Großmutter und ihre erlesenen Lehrer mit Entsetzen erfüllt hätte.
    Unser Leben: Ein unaufhörlicher Umzug. Vater hatte – besser gesagt, die Krone hatte – acht Schlösser, und mit jeder neuen Jahreszeit zog der königliche Haushalt um. Aber wir, die Königskinder, wohnten selten im selben Schloss wie der König und die Königin. Sie zogen es vor, uns auf dem Lande leben zu lassen, oder doch so nah wie möglich an freien Gefilden und in sauberer Luft. Eltham Palace war ein ideales Anwesen. Es war klein und lag inmitten grüner Felder, aber nur drei Meilen von Greenwich und der Themse entfernt. Es war für Edward IV ., meinen hübschen Großvater, erbaut worden, ganz aus Stein, mit einem stillen Wassergraben und einem gepflegten Schlossgarten. Das Haus war zu klein für den gesamten Hofstaat, aber wunderbar geeignet für die königlichen Kinder und für unseren kleinen Haushalt mit Köchen, Kinderschwestern und Wachen.
    Denn wir wurden bewacht. Unser hübscher kleiner, ummauerter Garten hätte ebenso gut im fernsten Schottland liegen können, statt zehn Meilen vor London. Niemand durfte uns ohne Vaters Erlaubnis besuchen; zu genau entsann er sich des Schicksals, das den Prinzen der Yorkisten widerfahren war. Wir entsannen uns nicht, und wir fanden diese Einschränkungen ärgerlich.
    Ich war sicher, dass ich mich gegen jeden Meuchelmörder würde verteidigen können. Ich übte den Umgang mit Schwert und Bogen und merkte bald, wie stark und geschickt ich für einen Knaben meines Alters war. Fast sehnte ich mich danach, dass ein finsterer Agent einen Anschlag auf mich verüben möge, damit ich mich meinem Vater beweisen und so seine Bewunderung erringen könnte. Doch es fand sich kein folgsamer Mörder, der mir meinen kindlichen Wunsch erfüllt hätte.
    Wir sollten uns in frischer Luft bewegen. Wie gesagt, schon früh hatte ich meine Gewandtheit in Leibesdingen entdeckt. Ich ritt mühelos und gut, von Anfang an. Ich prahle nicht; wenn ich alles aufzeichnen soll, muss ich von meinen Talenten ebenso ehrlich berichten wie von meinen Schwächen. Es ist so: Ich war begabt in allen Dingen des Körpers. Ich hatte mehr als Kraft, ich besaß auch angeborene Geschicklichkeit. Alles fiel mir leicht, im Feld und auch zu Pferde. Mit siebzehn zählte ich zu den gewandtesten Männern Englands – mit dem Langbogen, dem Schwert und der Lanze, im Turnier, beim Ringen und selbst in diesem wunderlichen neuen Sport, im

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