Ich, Heinrich VIII.
für die beengten, klammen Festungen vergangener Zeiten, in denen es Bequemlichkeit und Schönheit nur um den Preis der Sicherheit gab. Katharina hatte Recht mit ihrem Argwohn: Wolsey war mehr französisch als englisch.
Heinrich VIII.:
Ich hatte mich nie sonderlich für Bauten interessiert, was im Lichte des Umstandes, dass ich Schiffe entwarf, eigentlich sonderbar ist. Aber als ich die breite, einladende – und jawohl, verwundbare – Straße nach Hampton Court hinaufging, fühlte ich, wie etwas in mir zu hüpfen begann. Ich wollte – nein, ich brauchte einen neuen Palast, einen, den ich selbst entwerfen könnte … und er sollte zu Lande sein, was Great Harry auf dem Meer war. Und im nächsten Augenblick war auch der Name geboren: Nonsuch – »Nichts dergleichen«.
Und noch während ich mir überlegte, welche Form mein Nonsuch wohl annehmen könnte, wurde ich schon wieder abgelenkt durch das, was ich ringsumher sah und hörte. Wolseys Gefolge kam heraus; scharlachrot und golden gemusterte Kostüme funkelten schmerzhaft hell im klaren Licht der frühen Morgensonne. Die Leute bildeten eine menschliche Hecke – eine sauber getrimmte Hecke –, die wir durchschreiten mussten; sie waren alle beinahe gleich groß. (Ich wusste, dass Wolsey seine prunkvollen Bediensteten nach der Größe auswählte, seine Ratgeber hingegen nach ihrem Witz und ungeachtet ihres Aussehens. Eine bewundernswerte Trennung von Eigenschaften.) Trompeter folgten; ihre silbernen Instrumente blitzten in der Sonne. Sie bliesen eine Fanfare. Ich zügelte mein Pferd und wartete.
Ich brauchte nicht lange zu warten. Wolsey verstand sich meisterlich auf das Abpassen des rechten Zeitpunkts, und ich hörte das Knirschen von Kies unter den Hufen seines Maulesels, lange bevor er das äußere Portal, ein großes Torhaus, erreichte.
Dann erschien er, und sein rotes Satingewand strahlte, wenn das möglich war, noch heller in der Sonne als die silbernen Trompeten. Es gelang ihm stets, sich auf die eine oder andere Weise einen großartigen Auftritt zu verschaffen. Aber das half nichts. Er war fett und alt. Die endlosen Bahnen von rotem Satin betonten diese Tatsache nur: es war, als wollte man eine plumpe Rübe mit schillernden Bändern umwickeln.
Will:
Als Heinrich selber fett und alt war, wendete er diesen Umstand zu seinem eigenen Vorteil. Schichten über Schichten von goldbesticktem Samt, funkelnd von Edelsteinen, ließen seine Schultern drei Fuß breit werden, ein mächtiges Joch der Stärke; seine immer noch schlanken Waden offenbarte er derweilen in eng anliegenden Hosen. Aye, Heinrich verstand sich zu zeigen und selbst körperliche Mängel noch in einen atemberaubend triumphalen Anblick zu verwandeln.
Heinrich VIII.:
Er stieg ab – das heißt, er rutschte wie ein plumper Mehlsack von seinem Reittier und kam – watschelte – langsam auf mich zu.
»Eure Majestät«, sagte er und verbeugte sich so tief, wie seine Leibesfülle es nur gestattete. »Hampton Court ist Euer.« Er richtete sich auf und lächelte, und ich lächelte zurück. Alles verlief protokollgemäß. Ich winkte meinem Gefolge. Aber bevor ich noch etwas tun konnte, hielt Wolsey beide Hände in die Höhe – groß und weiß, wie Fischbäuche.
»Nein, Eure Majestät. Was ich sagte, meinte ich wörtlich. Hampton Court ist Euer.« Er wühlte in seinem Mantelbausch, und die ganze Zeit über blinkte die Morgensonne in den Falten seines Satingewandes. Endlich hörte er auf zu wühlen und zog eine Pergamentrolle hervor.
»Es gehört Euch, Eure Majestät.« Er trat herzu und legte mir die Rolle mit weit ausholender Gebärde in die ausgestreckte Hand.
Es war eine Besitzurkunde über Hampton Court. Beigefügt war, unterzeichnet und bezeugt von zwei Rechtsanwälten, die Erklärung, dass er seinem Souverän das Schloss zum Geschenk mache.
Ich sah mich um. Alles das – ein Geschenk? Die Sonne beschien, kräftiger schon, die neuen Ziegelmauern, und sie fingen an, sich zu erwärmen. Brandrot standen sie vor dem klaren Junihimmel. Im Inneren der Anlage standen weitere Gebäude, zwei Stockwerke hoch um zwei Innenhöfe gruppiert. Wolseys Prunkstück. Wie konnte er es verschenken?
Ich sah mich in Verlegenheit. Lehnte ich es ab, beleidigte ich Wolsey. Nahm ich es an, fügte ich ihm einen großen Schmerz zu.
Ich hob den Kopf und versuchte, in den gleißend blauen Himmel zu schauen und nachzudenken. Aber mit diesem Kopfheben kam ich nicht über die Reihe fein verzierter Schornsteine hinaus, die
Weitere Kostenlose Bücher