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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Verabredung nicht einhalten. Ich fürchtete um meine Ehre. Nan de Boleine.«
    Sie fürchtete um ihre Ehre? Sie fürchtete mich? Sie verhöhnte mich, das war es! Sie hatte doch schon zugegeben, dass sie sich den Künstlern in ihren Höhlen hingeben würde! Aber nicht einem König! Bewahre! Jedem Hans Pinselklecks würde sie sich schenken, aber nicht dem König Heinrich!
    Einen Ort und eine Zeit mit mir zu verabreden und mich dann warten zu lassen! Statt ihrer einen Pagen zu schicken! Als sei es unter ihrer Würde, sich ihren unangenehmen Angelegenheiten selbst zu widmen. Und die unangenehme Angelegenheit war – ich. Der König!

    Innerhalb von zwei Wochen hatte ich Anne vom Hof entfernt und zurück nach Hever geschickt. Das war leicht getan: Ich schrieb einen Befehl, unterzeichnete ihn, bestreute ihn mit Sand, besiegelte ihn. Als König hatte ich die Macht, Menschen umherzubewegen, wie es mir beliebte, sie aus einer Stellung in die andere zu versetzen. Aber wie es schien, hatte ich keine Macht über mein Weib, über meine Tochter, über die Geliebte meiner Träume. Weiber! Sie regieren uns, im Verborgenen von mir aus, aber sie regieren uns nichtsdestoweniger.

XXXVI
    A nfangs, als der Herbst im Winter versank, fehlte sie mir. Was immer mich am Anfang zu ihr hingezogen haben mochte, es rief mich noch. Und noch wusste ich nicht, was es war …
    Aber es sollte nicht sein. Was immer es sein mochte, vielleicht sollte ich es ja niemals zu schmecken bekommen. Und wozu auch? Ich war schließlich verheiratet, und mein Weib hieß Katharina.
    Es gab manche diplomatische Angelegenheit zu regeln; vor allem musste ein passender Gemahl für Prinzessin Maria gefunden werden. »Passend« bedeutete natürlich, dass die Ehe politisch vorteilhaft sein musste.
    O Gott, ich war schon wie mein Vater!
    Anfang 1527 war der »passende Gemahl« für Maria gefunden. Es war ein französischer Prinz. Auf keinen Fall wollten wir uns ja mit dem Kaiser verbünden; er war schon zu stark, nachdem er Franz so vernichtend geschlagen. Schon jetzt versetzten seine ungebärdigen Truppen Rom – und den Papst – in Angst und Schrecken, da sie plündernd und brennend ihren Sieg »feierten«. Ließen wir ihm seinen Willen, würde er vielleicht zu einem neuen Julius Cäsar werden. Julius Cäsar aber gehörte in die Geschichte; es war nicht gut, wenn er einem geradewegs ins Antlitz schaute. (Und einen verschluckte. England war einmal römisch gewesen – und einmal war genug.)
    Gabriel de Grammont, Bischof von Tarbes, kam nach England, um die Verbindung auszuhandeln. Grammont sah aus wie eine dicke, aufgeschwollene Kröte. Er begann damit, dass er Wolsey und mir einen ausführlichen Vorschlag vorlas. Wir saßen draußen vor dem Springbrunnen im Innenhof von Hampton Court. Die junge Frühlingssonne unternahm matte Versuche, uns zu wärmen, und es gelang ihr recht gut, denn die Mauern ringsum hielten den draußen wehenden Wind ab.
    »… müssen wir uns indessen vom rechtmäßigen Stande der Prinzessin Maria überzeugen«, schloss Grammont.
    Nach einigem Hüsteln und Räuspern sagte Wolsey: »Ich bitte Euch, erhellt uns Eure Bedenken ein wenig.« Dann sah er mich an und schnitt eine Grimasse, als wolle er sagen. »Ah! Diese Legalisten!«
    »Es sind die Folgenden.« Die Kröte richtete sich zu voller Höhe auf und blähte die Brust. »Papst Julius hat einen Dispens für die Ehe zwischen Prinz Heinrich und der Witwe seines Bruders Arthur erteilt, der Prinzessin Katharina, die dem Prinzen Arthur rechtmäßig angetraut war. Nun haben wir es also mit einem Fall zu tun, dass ein Bruder seines Bruders Witwe heiratet – was aber in der Heiligen Schrift ausdrücklich verboten wird! Leviticus, Kapitel achtzehn, Vers sechzehn: ›Du sollst nicht Verkehr pflegen mit dem Weibe deines Bruders; denn es ist das Fleisch deines Bruders.‹ Leviticus, Kapitel zwanzig, Vers einundzwanzig: ›Und wenn ein Mann das Weib seines Bruders zur Frau nimmt, so ist er unrein: Er hat seines Bruders Blöße enthüllt und soll kinderlos bleiben.‹«
    Er atmete durch dicke Lippen aus. »Die Frage ist: Hatte der Papst das Recht, einen solchen Dispens zu erteilen? Es gibt in der gesamten Kirchengeschichte nur noch einen einzigen Fall, in dem ein solcher Dispens erteilt wurde. Da erheben sich Zweifel. Ist Prinzessin Maria ein eheliches Kind? Oder ist die Ehe ihrer Eltern – so ehrlich und fromm sie auch sind – keine Ehe? Mein Herr wünscht solche Fragen aus der Welt zu schaffen, ehe er sich

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