Ich, Heinrich VIII.
besitzen, sie erobern. Und die Erkenntnis, dass ich keine Gemahlin hatte, dass ich Junggeselle war, verwandelte alle meine Fantasien und machte mich wieder jung.
Aber diese Besessenheit! Diese Raserei! Irgendwie musste es mir gelingen, die sonderbare Qual im Herzen und in der Seele zu meistern.
Will:
Heinrich benahm sich wirklich wie ein Verrückter. Er schwankte zwischen Euphorie und dumpfem Brüten. Viel Zeit verwandte er darauf, Listen anzufertigen und sich mit Theologen zu beraten. Wohl gluckste er auch dann und wann und sagte drauf »Aha!« zu niemandem. Er hörte mir niemals zu, wollte mich aber immer bei sich haben. Und er verbarg sich stur vor Katharina.
Meistens verbrannte er seine Listen, aber die eine hier ließ er unvorsichtig auf seinem Pult liegen.
Tugenden Fehler
Gewandte Tänzerin Kaufmannsfamilie
Kleidet sich vorzüglich Schwester ist eine Dirne
Weiß angeblich schön die Ungebildet in der Scholastik
Laute zu schlagen wie in der Neuen Gelehrsamkeit
Prächtiges Haar Scharfe Zunge
Königliche Haltung Liebt (vielleicht) einen anderen Mann.
Da wusste ich es: Er war verzehrt von der Liebeskrankheit, und diese Krankheit macht gewöhnliche Menschen anmaßend und lässt Könige zu Eseln werden. Wenigstens aber ist sie niemals von Dauer.
Heinrich VIII.:
Ich musste sie sehen! Ich musste sie haben! Ich war besessen von ihr. Ihr Hexenzauber wirkte stärker als meine alltäglichen Gegenmittel.
Ich würde ihr einen Brief schreiben und mich offenbaren. In einer schlaflosen Nacht, in den Stunden vor dem Morgengrauen, ersann ich die nötigen Worte. Als ich aber aufstand und sie niederschrieb, merkte ich, dass sie nicht genau das wiedergaben, was ich sagen wollte. (Weshalb unterscheiden sich gedachte Worte so sehr von geschriebenen?) Ich musste noch einmal von vorn beginnen. Aber welchen Ton wollte ich anschlagen, was wollte ich ihr sagen? Meine Verwirrung ließ all meine Mühen fruchtlos bleiben.
Und dann, eines Abends, zog ich mich – ich, der ich meine Briefe stets so sorgfältig abgefasst hatte, der ich sie im Kopf entworfen, dann niedergeschrieben, dann überarbeitet und schließlich weggeworfen hatte –, ich zog mich nach einem Bankett in meine Gemächer zurück. Ich hatte dem Weine allzu sehr zugesprochen – kurz gesagt, ich war ein wenig betrunken. Ich begab mich geradewegs zu meinem Schreibtisch und schrieb, ohne nachzudenken, das Folgende:
Meine Geliebte und Freundin,
ich und mein Herz geben uns in Eure Hände und versichern Euch, dass uns die Pein der Trennung schon jetzt zu groß ist, da wir doch nicht wissen, ob es uns gelungen ist oder nicht, einen Platz in Eurem Herzen und in Eurer Zuneigung zu finden, was mich jedenfalls eine ganze Weile gehindert, Euch meine Geliebte zu nennen.
Aber wenn es Euch gefällt, die Pflichten einer treuen und loyalen Mätresse und Freundin zu erfüllen und Euch mit Leib und Seele mir zu geben, der ich war und werde sein Euer allertreuester Diener (so Ihr es mir nicht hartherzig verbietet), verspreche ich Euch: Nicht nur will ich Euch so heißen, sondern sollt Ihr auch sein meine einzige Mätresse, und will ich andere aus meinem Herzen und meiner Liebe verstoßen und nur noch Euch dienen.
So es Euch nicht belieben möchte, mir zu schreiben, lasst mich einen Ort wissen, da ich Eure Antwort aus Eurem Munde hören kann, und ich werde diesen Ort mit frohem Herzen aufsuchen. Genug für heute, denn ich will Euch nicht verdrießen.
Geschrieben von der Hand dessen, der bereit ist zu bleiben Euer
H. R.
Ich hatte meine Gefühle genau beschrieben und dabei nach all den Qualen und Ränken große Erleichterung verspürt. Mit sonderbarem Ungestüm versiegelte ich den Brief, ohne ihn auch nur noch einmal zu lesen, und dann rief ich einen verschlafenen Laufburschen und schickte ihn gleich ab. Ich fiel auf mein Bett und versank in den Schlaf der Erschöpfung.
Vergebens wartete ich auf eine Antwort – eifrig zunächst und voller Zaghaftigkeit. Dann ungeduldig. Dann, als nach vierzehn Tagen kein Zweifel mehr daran bestehen konnte, dass sie nicht einmal zu antworten geruhte, wütend.
Sie glaubte also, sie könne einen königlichen Brief einfach ignorieren? Wie sie unser Stelldichein ignoriert hatte?
Dieses Biest! Ich war der König; ich konnte ihr befehlen, zu tun, was mir beliebte! Begriff sie das nicht? Die Zeit der Behutsamkeit war vorüber. Ich würde ihr zeigen, wie ohnmächtig sie in Wirklichkeit war.
Ich sandte ihr einen knappen Befehl und verlangte, sich
Weitere Kostenlose Bücher