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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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mit einem solchen Hause verbindet.«
    Der Dispens … ja, vor langer Zeit, bei jenem vorgeschützten »Widerruf«, zu dem man mich gezwungen hatte … der Dispens war die Grundlage gewesen. Aber wie hatten die Einwände gelautet? Ich wusste es nicht mehr.
    »Es ist nur ein einziges Mal vorgekommen, dass eine solche Ehe geschlossen wurde?«, fragte ich überrascht. Ich hatte immer geglaubt, es sei nichts Ungewöhnliches.
    »Fürwahr«, quakte die Kröte.
    »Aber der Papst hat den erforderlichen Dispens gegeben«, warf Wolsey sanft ein. »Die Angelegenheit ist folglich erledigt.«
    »Nein, nein! Es gibt gewisse Situationen, biblische Beschränkungen, von denen kein Dispens möglich ist«, beharrte de Grammont.
    »Ah, aber Christus hat gesagt: ›Was du auf Erden binden wirst, soll gebunden sein im Himmel, und was du auf Erden lösen wirst, soll gelöset sein im Himmel.‹ Christus verlieh Petrus – dem ersten Papst – all diese Macht! Das Alte Testament ist für Christen nicht verbindlich.«
    »Da irrt Ihr! Es ist …«
    Es erheiterte mich, zu erleben, wie ein Bischof und ein Kardinal sich theologisch auf die Hörner nahmen. Es erheiterte mich, ja … aber gleich einer schwarzen Hand, die mich bei der Kehle packte, nahmen mir diese Worte den Atem: ›Und wenn ein Mann das Weib seines Bruders zur Frau nimmt, so ist er unrein: Er hat seines Bruders Blöße enthüllt und soll kinderlos bleiben.‹ Und plötzlich war es nicht mehr erheiternd: Plötzlich wusste ich, was Gott mir in all den Jahren hatte sagen wollen.
    Ich hatte mich darüber beklagt, dass ich die Handschrift Seiner Botschaft nicht lesen könne, und dabei hatte es die ganze Zeit im Buche Leviticus gestanden, geschrieben von Moses, und darauf gewartet, dass ich es nachläse.
    Ich empfand Übelkeit. Trotz der klaren, freien Luft fühlte ich mich beengt, und ich konnte nicht atmen. Jäh stand ich auf und schob mich vom Tisch zurück. Die beiden runden Prälaten starrten mich an.
    »Fahrt nur fort, fahrt nur fort«, murmelte ich. »Beendet Eure Debatte. Ich möchte nur ein wenig Luft schnappen – werde am Flussufer spazieren gehen – nein, begleitet mich nicht!«
    »Eure Majestät!«, rief Wolsey. »Es werden neue Gärten angelegt. Zweitausend Morgen groß. Vielleicht habt Ihr Lust, Euch die Arbeit dort anzuschauen?«
    »Nein, nein.« Ich winkte ab. Ich hatte keinen Sinn für etwas so Weltliches wie die Pläne einer Gartenanlage.
    Katharina … die Ehe … es war ein blutschänderischer Frevel in den Augen Gottes. Darum war Kind um Kind zugrunde gegangen. Acht Kinder, und nur eines hatte überlebt – ein zierliches Mädchen.
    Ich überquerte die Brücke und schlug den Pfad am Flussufer ein.
    Ein Leben in Sünde … ein Frevel vor Gott …
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dahinwandelte, besessen von diesen Gedanken. Aber unversehens fand ich mich in dem an der Themse gelegenen Dorfe Sunbury wieder, ohne mich zu erinnern, wie ich dorthin gelangt war. Die kleinen Häuser dösten in der Sonne des Spätnachmittags, beschützt (so dachten sie) von ihrem König. Von ihrem König, der eine schwere Sünde begangen hatte und dafür bestraft wurde.
    Ich machte kehrt. Zumindest aber wusste ich jetzt, was faul war; ich konnte den Fehler beheben und alles wieder in Ordnung bringen.
    Erst auf dem Rückweg, als die untergehende Sonne mir in den Rücken schien, dämmerte mir auch der Rest.
    Meine Ehe mit Katharina war keine Ehe. Ich war nicht mit ihr verheiratet, war es nie gewesen. Es war unmöglich, dass ich mit ihr verheiratet sei. Gott hatte es verboten.
    Ich war daher Junggeselle.
    Wir schickten den braven Bischof von Tarbes zurück nach Frankreich und trugen ihm auf, sich dort mit den Theologen weiter zu beraten. Aber das war eine leere Geste, denn ich wusste, er würde nichts herausfinden können, was es mir ermöglichen würde, wieder zu jenem Zustand der Unwissenheit und Naivität zurückzukehren, in dem er mich gefunden hatte. Ich war besorgt, aber ich teilte meine Gedanken niemandem mit, nicht einmal Wolsey. Und auf keinen Fall Katharina! Katharina musste ich meiden, vor allem ihr Bett. Ich durfte mich nicht noch einmal in dieser Weise beflecken.

    Von nun an quälten mich Gedanken an Anne. Ich sehnte mich danach, sie wieder zu sehen, sehnte mich mit einer Inbrunst, die an Raserei grenzte. Ihre einjährige Abwesenheit hatte diese Sehnsucht nicht gelindert.
    Nachts konnte ich nicht schlafen. Mein Kopf war voll von ihr. Ich wollte sie besitzen; ich musste sie

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