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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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aufgenommen. Unglücklicherweise fiel sie mit den Maßnahmen des Parlaments zur Neuordnung der Kirche zusammen, die jetzt begannen. Alles Althergebrachte wurde entfernt, schienen die Menschen zu denken, und nirgends gab es einen sicheren Hafen.
    Am 15. Mai des Jahres 1532 erkannte die Konvokation mich als Oberstes Haupt der Kirche von England an. Am 16. Mai trat More von seinem Amt als Lordkanzler zurück.
    Er kam zu mir und überbrachte mir sein Amtssiegel, jenes, das Wolsey so widerstrebend abgegeben hatte.
    Ich weilte, ich weiß es noch, in meinem innersten Privatgemach und las. Ich ließ More eintreten – etwas, das ich nur selten jemandem erlaubte, nicht aus Stolz, sondern weil es der einzige Zufluchtsort war, den ich kannte, und wären Fremde darin herumgestapft, so wäre es auch damit vorbei gewesen. Aber bei More war es etwas anderes.
    »Thomas«, sagte ich und ging ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. »Welch glückliche Fügung, dass Ihr gerade jetzt zu mir kommt!« Es stimmte; ich fühlte mich in letzter Zeit traurig, und Thomas More hatte stets eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt. Dann aber sah ich den schmerzlichen Ausdruck in seinem Gesicht. Und ich sah, dass er etwas in der Hand hielt. Doch nicht etwa ein Geschenk – von Thomas?
    »Euer Gnaden«, begann er, »es schmerzt mich …«
    Da wusste ich es. Ich wusste es, noch bevor er auch nur angefangen hatte, auszuwickeln, was er da mitgebracht hatte. Er wollte mich verlassen.
    »Nein, Thomas!« Ich schnitt ihm das Wort ab, als könnte ich es damit aus der Wirklichkeit verbannen. »Das dürft Ihr nicht! Ich brauche Euch!«
    »Euer Gnaden brauchen keinen, der nicht guten Gewissens Eure Politik unterstützen kann. Ich fürchte, die Erfordernisse der Situation lasten nunmehr so schwer auf meiner Seele, dass ich guten Gewissens nicht fortfahren kann, Euch zu dienen.«
    Thomas durfte mich nicht verlassen. »Warum nicht?«, flehte ich.
    »Die Entscheidung der Konvokation, sich der Anklage des Praemunire zu unterwerfen und Euch als ›Oberstes Haupt der Kirche von England‹ anzuerkennen, lässt mir keine andere Wahl.« Mit ruhigen grauen Augen sah er mir ins Gesicht.
    »Damit hat doch der Kanzler nichts zu tun!«
    »Der Kanzler hat mit allem zu tun, Euer Gnaden. Ich bin Euer oberster Minister. Wenn ich Eure Maßnahmen nicht mit ganzem Herzen unterstützen kann, wie soll ich Euch dann noch von Nutzen sein?«
    »Von unschätzbarem Nutzen seid Ihr mir. Das Volk achtet Euch. Der Adel achtet Euch. Das Ausland achtet Euch. Niemand in England genießt größeres Ansehen.«
    »Mit anderen Worten, Ihr braucht mich als Galionsfigur, die all Eurem Handeln die Aura der Heiligkeit verleiht. Euer Gnaden, ich liebe Euch wohl, aber nicht einmal Euch kann ich mein Gewissen opfern. Es ist das einzige Juwel, das ich besitze. Ihr wisst ja« – er lachte –, »ich habe nie Bestechungsgelder genommen. Ich habe das Petitionsgericht so arm verlassen, wie ich ihm beigetreten bin, und das Kanzleramt, so wage ich zu behaupten, verlasse ich noch ein wenig ärmer, denn ich habe unglaubliche Summen für Bootsfahrten von hier nach Chelsea ausgegeben.«
    Ich wusste nichts zu antworten. Alles, was er gesagt hatte, war die Wahrheit. Ich wollte in der Tat, dass er mir für den Weg, den ich einschlug, den Stempel seiner Billigung verlieh. Solange More an meiner Seite war, konnte man mir alles verzeihen. Ich war zutiefst beschämt.
    »Thomas, ich möchte, dass Ihr bleibt«, sagte ich schlicht.
    »Euer Gnaden, ich kann nicht«, antwortete er nicht minder schlicht.
    Und damit war es zu Ende. Er überreichte mir das Großsiegel und seinen goldenen Kragen, schenkte mir ein wehmütiges Lächeln und zog sich zurück.
    Thomas, fort! Der klarste Kopf, die vernünftigste Stimme, der profundeste Geist unter allen, die ich kannte. Ließ mich denn jeder im Stich? Musste ich allein kämpfen? Und kämpfte ich? Es gab Zeiten, da wusste ich es selbst nicht. Ich wusste nur, dass ich nicht aufhören durfte.

XLV
    N och musste ich mich Katharinas entledigen; irgendwie musste die Angelegenheit beigelegt werden. Sie hatte meinen Befehl missachtet und sich keinen Ort gesucht, da sie sich »ehrenvoll zur Ruhe setzen« könnte; stattdessen war sie halsstarrig in »The More« geblieben, in den Mauern Londons.
    Nun gut. Dann würde ich die Entscheidung für sie treffen und einen Wohnsitz aussuchen, und sie würde sich dahin verfügen. Ich erwählte Ampthill in Bedfordshire, ein Landhaus, das etwa vierzig Meilen weit

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