Ich, Heinrich VIII.
Hirschfleisch zu sich nahm und dann vor dem Feuer saß, einen Becher Wein vor sich, die Geliebte neben sich. An diesem Abend war ich ein solcher Mann – und mehr.
Anne war schön, als der Feuerschein auf ihrem Gesicht spielte. Ich saß neben ihr und sah sie nur an, voller Staunen darüber, dass ein solches Geschöpf existieren konnte. Ich dachte an die gemütliche Schlafkammer oben, und an das breite, wenngleich harte Bett darin. Konnte sie sich mir jetzt nicht hingeben? Ich hatte Katharina doch verstoßen.
Wir waren allein. Ich streckte die Hände nach ihr aus und küsste sie – zärtlich erst, dann drängender. Bald war ich so erregt, dass ich mich kaum noch zu halten wusste. Ich nestelte an den Bändern ihres Mieders und war überrascht, als sie reglos zuließ, dass ich es aufschnürte, ihre Brüste liebkoste und mit meinen Küssen bedeckte. Das Feuer warf seltsame Schatten über ihr Gesicht und ihren Leib, aber das verstärkte nur meine Empfindungen. Endlich raffte ich mich auf und zog auch sie auf die Beine. Wortlos erklommen wir die schartige alte Holzstiege. Als wir meine Kammertür erreicht hatten, war ich in solche Raserei geraten, dass ich sie eingetreten hätte, wäre es notwendig gewesen, um hineinzugelangen. Aber das war nicht notwendig; sie ließ sich leicht öffnen, denn ich hatte sie nicht verschlossen. Aber als ich Anne bei der Hand nahm, um sie hineinzuführen, spürte ich Widerstand. Sie stemmte sich entschlossen gegen die Schwelle.
»Nein – ich darf nicht«, sagte sie.
Mir war, als müsse ich zerplatzen. »Beim Blute Gottes! Komm hinein!«
»Nein. Und wenn ich es tue, so bin ich verloren.« Sanft zog sie mich zu sich hinaus und schaute mich die ganze Zeit flehentlich an. »Ich sehne mich so nach dir«, sagte sie. »Aber ich kann nicht. Unser Kind muss rechtmäßig zur Welt kommen. Wenn nicht, ist alles umsonst gewesen, und ich bin tatsächlich, was die Leute sagen – des Königs Großhure.«
Ehe ich noch etwas erwidern konnte, entschlüpfte sie meinem Griff und rannte den Korridor hinunter in ihre eigene Kammer.
Wieder verbrachte ich eine schlaflose Nacht.
Nichtsdestominder vergingen die Tage angenehm. Wir jagten vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, und abends gab es ein feines Jägermahl, Lautenschlag und Spiele vor dem Feuer.
Dann traf der erwartete Brief von Katharina ein. Es war wieder einer ihrer Abscheu erregenden Versuche, mir Honig um den Bart zu schmieren. Sie bedaure, dass man sie nicht rechtzeitig geweckt habe, sodass sie mir nicht habe Lebewohl sagen können. Es werde sie freuen, zu hören, dass ich wohlauf sei.
Nie war mir wohler gewesen als nun, da sie mir aus den Augen war! Verhasste Bestie! Ich setzte mich nieder und schrieb unverzüglich und mit schneller Hand eine Erwiderung – ihr liege, so versetzte ich, wenig an meinem Seelenfrieden oder an meiner Gesundheit, denn sie habe es ja darauf abgesehen, mir das eine wie das andere zu ruinieren. Tatsächlich aber habe beides eine beträchtliche Besserung erfahren, seit ich ihr entkommen sei. Ich schickte den Brief ab, ohne ihn auch nur noch einmal zu überlesen. Ich hatte endlich genug von ihren kindischen Spielen.
Die nächste Woche verging friedlich; dann kam eine weitere Botschaft. Darin tadelte sie mich und erklärte, ich sei es ihr schuldig, ihr von Angesicht zu Angesicht Lebewohl zu sagen.
Weshalb? Damit sie mich mit Vorwürfen überhäufen könnte? Ich wartete ab, bis ich Deerfield verlassen hatte und in der Nähe von London war; dann berief ich eine Sitzung des Staatsrates ein. Es war jetzt, soweit es mich anging, keine Privatangelegenheit mehr, sondern eine Staatsaffäre. Jedermann sollte wissen, was ich tat und warum ich es tat. Gemeinsam mit dem Rat entwarf ich einen formellen Brief an die Prinzess-Witwe und erklärte darin, dass ihr Ungehorsam mir so sehr missfallen habe, dass ich sie nicht mehr zu sehen wünschte.
Als die Staatsreise einen Monat später zu Ende ging, sandte der Rat ihr einen weiteren Brief und teilte ihr mit, dass ich nach Windsor zurückkehrte und wünschte, sie möge vorher in Wolseys altes Haus, The More, umziehen. Dort angelangt, solle sie sich dann einen Wohnsitz für die Dauer erwählen und sich dorthin zurückziehen.
Es war geschafft. Es war geschafft. Ich wollte es mir selbst kaum glauben. Warum war das, was ich fühlte, dann eine Mischung aus Euphorie und Verzweiflung?
Die Nachricht von meiner Trennung von Katharina sprach sich rasch herum und wurde nicht überall gut
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